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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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begannen mit einer derart heftigen Knutscherei, dass innerhalb kürzester Zeit die Fensterscheiben beschlugen .«
    Bei dieser Erinnerung schmunzelt Jüre über alle vier Backen. Er lehnt sich zurück und schlägt die Beine übereinander, als müsste er zu seinen offenherzigen Äußerungen eine physische Gegenposition einnehmen.
    »Als wir die Freuden des Küssens längst mit raffinierteren Spielarten oraler Zweisamkeit vertieft hatten, realisierten wir plötzlich, dass links und rechts unseres Wagens Fahrzeuge mit freundlich grinsenden Chauffeuren standen. Wir hatten sie schlicht zu spät bemerkt. Zum Glück bescherten den Voyeuren die angelaufenen Scheiben lediglich eine Art verschwommenen Softporno. Wir fanden die Situation witzig, ordneten unsere Kleider und fuhren weiter .«
    »Was man da so alles erfährt, Jüre. Deine Schilderung erinnert mich an die Emanuelle - Filme jener Zeit. Da war doch auch immer alles leicht vernebelt? Wenn die Musik fortissimo wurde, die Streicher ihr Letztes gaben und die Darsteller endlich zur Sache kamen, legte sich zur Enttäuschung des jugendlichen Kinopublikums der Dunst der Sittsamkeit über die Leinwand.«
    »Ja, stimmt. Ich kenne die Streifen auch. Aber sie spielten für mich damals keine Rolle. Ganz im Gegensatz zu Marie-Josette: Sie spielte die Hauptrolle. Und zwar mit Bravour!
    Wir legten Kilometer um Kilometer hinter uns. Die alte Karre kochte fast, und wir verschmachteten unter dem heißen Blechdach vor Durst und ungestillter Lust. Allmählich wurde es Nacht, und wir hielten erneut nach einem ruhigen Plätzchen Ausschau. Wir befanden uns inzwischen bereits in Italien. Da war nichts mit Ruhe und nichts mit Plätzchen. Das Klischee schien sich zu bewahrheiten: Die Italiener verbrachten ihre amourösen Intermezzi bevorzugt in gut gefederten Rosthaufen wie wir. Glücklicherweise boten sich hin und wieder riesige Autobahnraststätten an. Wir waren beide hundemüde. Kurz entschlossen stellten wir unser Zelt auf dem schmalen, halb vertrockneten Rasenstreifen zwischen zwei öligen Parkfeldern auf. Innerhalb kürzester Zeit fielen wir erschöpft in einen fast narkotischen Schlaf. Hatten wir das Campingverbot übersehen? Wurde nicht gerade auf solchen Raststätten bandenmäßig gestohlen?
    Wir fühlten uns zu müde, um uns darüber Sorgen zu machen. Am nächsten Morgen waren wir, unser Zelt und das Auto jedenfalls noch vorhanden.
    Die nächste Übernachtung erfolgte nochmals im Zelt, wieder auf einem Parkplatz, neben dem Hospiz des Grossen Sankt Bernhardpasses, auf 2.469 Metern. Der erste Schnee lag auf den Alpweiden. Die Nacht war glasklar und klirrend kalt. In der eisigen Bergluft sorgten wir unter der violetten Zeltkuppel unseres winzigen Iglus für eine akzeptable Innentemperatur. Manch ein Zirkusartist und Schlangenmensch hätte uns dabei Respekt gezollt. Dass uns inzwischen längst die Präservative ausgegangen waren, hinderte uns an keiner praktikablen Vergnügung.
    Dass ich damals schon hätte Vater werden wollen, muss ich heute bezweifeln. Dass ich es heute allerdings noch immer nicht bin, kann ich nur bedauern.
    Eine jugendliche Sorglosigkeit schien uns wie ein unsichtbarer Schutzschild vor allem Unerwünschten zu bewahren. Unser Glück gaukelte uns vor, wie eine Art Überdruck der Liebe nichts Dunkles, Gefährliches oder Böses an uns heranzulassen. Es war so geil, so naiv zu sein!
    Hanspudi, du machst dich hin und wieder darüber lustig, dass ich Marie-Josette unsterblich liebe. Ich kann dir verraten, dass ich tatsächlich noch immer ganz verrückt nach ihr bin, wie nach der ersten Nacht in der Geborgenheit der Zeltblache meines violetten Iglus .«
    »Dann war die erste gemeinsame Woche am Thunersee ein voller Erfolg ?« , vermute ich. »Ist sie danach abgereist ?«
    Jüre erinnert sich und strahlt dazu wie tausend gleißende Sonnen über hochalpinem Permafrost.
    »Es war die verrückteste Woche meines bisherigen Lebens. Ich musste ja wieder arbeiten. Damals hatte ich noch den Job in der Druckerei Otto. In der Bude war die Hölle los. Durch die Ferienabwesenheit verschiedener Mitarbeiter waren wir mit vielen Aufträgen im Verzug. Ich arbeitete wie ein Ochse und freute mich täglich auf Marie-Josette, die zu Hause den Himmel auf Erden Wirklichkeit werden ließ. Wir haben in den Nächten kaum geschlafen. Trotzdem musste ich jeden Morgen zur Frühschicht antreten. Ich habe eine Woche von Luft und Liebe gelebt. Sprichwörtlich. Dann reiste sie ab .«
    »Aha. Also doch«,

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