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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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stelle ich fest.
    »Beim Abschied heulten wir beide wie die Schlosshunde .«
    »Warum reiste sie dann ab? Sie wäre ja frei gewesen, zu bleiben ?«
    »Ich war am Ende. Ich hätte das vermutlich nicht mehr lange durchgehalten. Luft und Liebe erwiesen sich als schlechte Überlebensmittel. Nicht ich habe das eingesehen. Marie-Josette war Ende der Woche der Meinung, es sei besser für mich und unsere Beziehung, wenn sie gehe. Nicht für immer. Für ein paar Wochen aber schon. Marie-Josette kam gerade bis zu ihrem Fiat, der neben dem Kehrichtcontainer auf dem Trottoir vor dem Wohnblock stand. Dann schloss sie die Wagentür wieder ab, von außen, und meinte unter Tränen: ›Ich kann es nicht.‹
    Wie in einer kitschigen Telenovela fielen wir uns in die Arme, als handele es sich um ein Wiedersehen nach jahrelanger Trennung. Lächerlich, ich weiß. Ich befürchte, es gibt nichts Lächerlicheres als zwei verliebte Menschen in den Augen nüchterner Zeugen. Nach diesem erfolglosen Abschiedsversuch blieb Marie-Josette bei mir. Bis zum heutigen Tag.
    Eigentümlicherweise funktionierte nach dem gemeinsamen Geheule auf der Straße die Mischung zwischen Honymoon und Alltagsstress etwas besser. Zwar hatten wir eingesehen, dass es so nicht weiterging. Andrerseits waren wir davon überzeugt, dass es keinesfalls vorbei sein durfte. Nach verschiedenen, versuchsweise eingeführten Alltagsregelungen, verteilt über drei Jahre, hatte schließlich ausgerechnet die Hochzeit eine merkliche Normalisierung unserer Leidenschaft herbeigeführt .«
    »Hochzeit als Anfang vom Ende?«
    »Nein. Nicht bei uns. Bisher. Darum spreche ich ja von einer Normalisierung und nicht von einer Abkühlung .«
    »Dann will ich den Teufel nicht an die Wand malen«, beschwichtige ich.
    »Ist der Teufel nicht ohnehin eher fürs Hitzige zuständig ?« , fragt Jüre.
    »Nicht unbedingt. Wenn er in der Teufelsmaske des Fulehungs daherkommt, erkaltet sein Temperament rascher, als uns Thunern lieb sein kann .«
    Kurz darauf klingelt es an der Tür, und die Rektorin steht auf der Schwelle. Pünktlich wie immer. Aber irgendwie unsicher. Was erwartet Sie von uns?

33

     
    Lilo Barben-Bigler dürfte um die 170 Zentimeter groß, respektive klein sein und locker über 80 Kilo wiegen, die dicke Hornbrille und den schweren Ethnoschmuck nicht mitgewogen. Augen und Wimpern sind wie immer kräftig geschminkt. Das führt dazu, dass nicht selten schwarze Striemen die Brillengläser verschmieren. Putzt Lilo darum so auffallend häufig ihre modische Sehhilfe? Oder überspielt sie damit ihre Verlegenheiten? Auf den Lippen prangt ein kräftiges Karminrot, derselbe Farbton wie jener der lackierten Fingernägel. Sie trägt ein feldgrünes Leinenjupe und eine schwarze Seidenbluse. Über den Arm hat sie eine Jacke gelegt, passend zum Jupe. Die Schuhe wiederholen die Unfarbe der Bluse.
    »Danke, dass du dir Zeit für uns nimmst, Lilo«, sage ich. »Aber wie wir angedeutet haben, geht es um eine wichtige und dringende Angelegenheit, zu der wir deinen Rat benötigen .«
    Ich glaube, sie fühlt sich durch meine Einleitung geschmeichelt. Das klappt ja prima.
    »Da bin ich gespannt. Schießt los«, fordert sie uns auf, noch bevor ihr Jüre ein Glas Mineralwasser hat offerieren können.
    »Wie du bestimmt erfahren hast, liegt Fabian Eichenberger momentan im Spital .«
    »Ja, der Arme.«
    »Gut. Die Umstände seines Hirnschlags sind einigermaßen seltsam .«
    »Seltsam ?« , wiederholt sie.
    »Ja. Der Turnlehrer sollte wegen des bisschen Herumrennens in der Maske eigentlich nicht gleich zusammenklappen, oder ?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Tatsächlich wissen wir aus sicherer Quelle, dass er unter dem Einfluss von Medikamenten stand, die er vermutlich nicht wissentlich zu sich genommen hat und die ihm zweifellos geschadet haben. Die Ärzte sprechen von Lebensgefahr .«
    »Was? Das tönt ja gerade so, als habe ihn jemand umbringen wollen«, entrüstet sich Lilo.
    »Genau so, wie es tönt, dürfte es sich zugetragen haben«, bestätigt Jüre und füllt unsere Gläser reihum.
    »Dann muss doch die Polizei eingeschaltet werden .«
    »Das ist längst geschehen .«
    Lilo Barben-Bigler schüttelt ihre braune Mähne. Dann schiebt sie mit dem rechten Zeigefinger ihre Hornbrille Richtung Nasenwurzel.
    »Wie kann ich behilflich sein ?« , fragt sie, sichtlich irritiert.
    »Wir möchten von dir wissen, ob du mit Beat Dummermuth, den du bekanntlich seit seiner Schulzeit kennst, in letzter Zeit irgendwelche

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