Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
Kommissar wählte die private Telefonnummer des Elzacher Zunftmeisters, unter der er jedoch nur dessen Frau erreichte. Dann erwischte er den Zunftmeister selbst an seinem Arbeitsplatz.
»Kripo Villingen-Schwenningen«, sagte Müller mit möglichst tiefer und gewichtiger Stimme. »Herr Mayer, wir ermitteln in einem Mordfall, in dem einer Ihrer Tschudis eine Rolle spielt.«
»Bitte wie?«
Müller blickte noch mal auf den Zettel: »Schuttig, meine ich natürlich. In dem einer der Elzacher Schuttige eine Rolle spielt.«
»Was?«, fragte der Zunftmeister am anderen Ende der Leitung.
»Wir haben bei einem toten Villinger Narro mehrere Zettel gefunden. Auf einem stand: ›69. Elzach. Tanz mit dem Schuttig.‹ Dieser Zettel befand sich in einem Schneckenhäuschen, wie sie bei Ihren Schuttigen verwendet wird …«
Herr Mayer erklärte, er habe zwar von dem Verbrechen gehört, die Elzacher Narren hätten damit jedoch gar nichts zu tun. Selbstverständlich nicht.
»Herr Mayer«, sagte Müller energisch. »An einem Schuttig müssen mehrere Schneckenhäuschen fehlen. Ich fordere Sie auf, umgehend Ihre Mitnarren zu befragen, bei wem die Schneckenhäuschen fehlen, sonst machen Sie sich alle miteinander verdächtig!«
»Also höre Sie mol«, entgegnete der Mann am anderen Ende in breitem Elztäler Dialekt.
»Nein, Sie hören!«, meinte Müller und wurde etwas lauter. »Andernfalls werde ich Ihnen eine Hundertschaft Polizei auf den Hals schicken, die jeden einzelnen Hut dieser … äh … Schullis aufs Gründlichste untersucht. Das ist sicher eine tolle Werbung für Ihre Fasnacht …«
Die Antwort des Zunftmeisters war deutlich: Er legte einfach auf.
Müller lehnte sich seufzend zurück.
Nein, mit dem Verlauf des Gesprächs konnte er nicht zufrieden sein.
8. TAG DER OFFENEN TÜR
Ein paar Meter weiter im Gang sah man das anders.
»Siehst du«, flüsterte Klaus Riesle seinem Freund Didi Bäuerle zu. »Es hat sich gelohnt, dass wir ein paar Minuten früher gekommen sind. Zum Glück war die Tür offen …«
Doch sie hatten noch mehr Glück: Müller telefonierte nun mit dem Kollegen Winterhalter, las ihm noch mal die drei Botschaften vor und fragte ihn, ob er sich einen Reim darauf machen könne, was die Schrift für Rückschlüsse auf den Täter zulasse, und ob sich auf den Papieren aufschlussreiche Fingerabdrücke befunden hätten. Auch Winterhalters Antwort schien Müller nicht zufriedenzustellen.
Riesle und Bäuerle warteten noch eine Minute, in der sich der Reporter im Halbdunkel des Polizeiflurs Notizen machte. Dann klopfte Bäuerle an die halb geöffnete Tür und trat mit Riesle in das überhitzte Büro.
Müllers Laune war nach den beiden Telefonaten ohnehin nicht die beste. Als er aber den Journalisten sah, platzte er schier vor Wut: »Raus!«, sagte er.
Riesles Ausrede, er sei nur als moralischer Beistand mitgekommen, zog bei Müller gar nicht. Endlich konnte er seine geballte schlechte Laune an jemandem auslassen. Zum Ende seiner Tirade gegen Schnüffler im Allgemeinen und die hiesige Presse im Besonderen war er kurz davor, gegen Riesle einen behördlichen Platzverweis auszusprechen. Auch nachdem dieser den Raum verlassen hatte, war Müller noch wütend. Er kämpfte gegen sein Sodbrennen an, versetzte der Heizung einen kleinen Tritt und wandte sich endlich Bäuerle zu, obgleich er befürchtete, dass dieser ohnehin Satz für Satz an Riesle weitergeben würde.
»Herr Bäuerle«, begann er mit strenger Miene und fixierte sein Gegenüber. »Sie sind hier als Zeuge geladen. Wir hatten ja früher schon mal miteinander zu tun – damals, als an Weihnachten die Leiche bei Ihnen in der Benediktinerkirche gefunden wurde.«
Bäuerle nickte und schwitzte. Hoffentlich interpretierte der Kommissar das nicht als Unsicherheit. Er entledigte sich seines blauen Anoraks. Ganz schön warm hier drinnen. Ob das zu Müllers Vernehmungsmethoden gehörte?
»Ich muss Sie darauf hinweisen, dass alles, was wir hier unter vier Augen besprechen, in diesem Raum bleiben muss. Verstanden?«
Wieder ein strenger Blick des Kommissars.
Bäuerle wirkte weiterhin etwas abgelenkt. Es half nichts, auch sein weinrotes Sweatshirt musste runter. Wirklich verdammt heiß hier. Dann überlegte er, was er darunter trug. Er kam zum Schluss: nichts.
Würde nicht gut aussehen, wenn er dem Kommissar mit nacktem Oberkörper gegenübersäße.
»Kann ich die Tür etwas aufmachen? Es ist so heiß hier drin«, fragte er dann.
Müller wurde bockig.
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