Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
verzog sein mit Puder, Rouge und lila Lidschatten überschminktes Gesicht zu einer faltigen Grimasse.
»Sollte das Foto im Kurier erscheinen, verklage ich dich auf Schmerzensgeld«, raunzte er und betrat rasch den Saal. Schließlich konnte das Programm jeden Moment beginnen. Und ein zweites Mal würde er sich keinesfalls in diesem Aufzug ablichten lassen.
Fast wäre er mit Didi Bäuerle zusammengeprallt, der auf seinem Kopf eine weißblaue Ratskappe trug. An der gebogenen Spitze über seiner schweißbesetzten Stirn hing ein Glöckchen. Er war nicht nur Ratsherr bei der Narrozunft, sondern auch Umzugssprecher und Regisseur dieses Zunftballs. Und als solcher wurde von ihm am heutigen Abend ein besonders anspruchsvolles Programm erwartet, denn die geballte Prominenz machte ihre Aufwartung – bis hin zum Ministerpräsidenten. Auch dem hatte die Narrozunft schon eine Ehrenkappe vermacht, obgleich dessen unverkennbar schwäbischer Akzent nicht so recht in den badischen Teil der Doppelstadt Villingen-Schwenningen passte.
Als Didi den Vater seiner Zukünftigen in dem zartblau glänzenden Kostüm sah – das Oberteil mit großen Luftballons ausgestopft –, stutzte er zunächst und musste dann laut lachen.
»Du kannst dir jeglichen Kommentar sparen. Wo sind unsere Plätze?«, fragte Hubertus barsch, denn Didi hatte seiner Familie die heiß begehrten Karten besorgt.
Nun deutete Hummels Schwiegersohn in spe die ungefähre Richtung an und machte dann seinem Ärger Luft: »Könnt ihr euch das vorstellen? In zehn Minuten beginnt das Programm – und vier Akteure fehlen noch. Unter anderem der Fehrenbach, der eigentlich für die Beleuchtung zuständig ist, und drei andere Narros – darunter der Berger, unser Inquisitions-Narro, der überall Verrat wittert. Der wird heute mit dem Narrenbecher für besondere Verdienste geehrt. Das wird er ja kaum verpassen wollen.«
Er schüttelte den Kopf, nahm seine Kappe ab und rieb sich über die blonden Stoppelhaare. »Ich habe es wirklich nur mit Dilettanten zu tun.«
Hummel fühlte sich bei diesen Worten an einen seiner Freunde erinnert – Edelbert Burgbacher, den Regisseur des Zähringer-Theaters. Von dem waren solche Sätze unablässig zu hören.
Für Didi nahte indes Hilfe, denn ein stattlicher Narro lief auf ihn zu. Der Narro war die Hauptfigur der Villinger Fasnet, und seine Kleidung, das sogenannte Häs, kostete ein halbes Vermögen. Nicht jeder konnte sich das leisten, doch viele taten es. Die Lindenholzmaske, die man Scheme nannte, hatte dieser Narro gelüftet, sodass sein verschwitztes Gesicht zu erkennen war.
Bäuerle atmete etwas auf. »Guten Morgen, Graf Zahl, wird Zeit, dass du kommst. Tja, der Weg aus Schwaben ist weit. Jetzt sind wir immerhin acht Narros. Nun aber ab in den Einmarschraum, die anderen warten schon. Peinlich genug, dass du dich hier vor all den Leuten ohne Scheme zeigst.«
Graf Zahl hieß eigentlich Moser und war ein guter Bekannter von Bäuerle und Hummel. Seinen Spitznamen verdankte er einer Figur aus der »Sesamstraße« und der Tatsache, dass Moser nicht nur ein ausgewiesener Fasnetexperte, sondern auch Mathematiklehrer am Wirtschaftsgymnasium war. Als einer der ganz wenigen Villinger Narros wohnte er in Schwenningen. Man konnte mit jeder Art von mathematischem Rätsel zu ihm kommen – er löste es.
Moser konterte mit einem anderen Spruch. »Tut mir leid, aber du weißt ja, Bäuerle: Die Letzten werden die Ersten sein.«
2. »SANITÄTER!«
Mit Mühe presste Hubertus seinen Bauch zwischen den Stuhlreihen hindurch und bahnte den Weg für seine Tochter. Besorgt blickte er sich immer wieder nach dem schwangeren Sindbad um. Didi war nach einem flüchtigen Kuss für die Liebste schon längst wieder hinter der Bühne verschwunden.
Als sie endlich ihre Plätze gefunden hatten, verschlechterte sich Hubertus’ Laune noch weiter. Ihnen gegenüber saß ein Mann, der mit rotem Dirndl und blonder Lockenperücke offenbar den Versuch gemacht hatte, sich als Synthese aus Margot und Maria Hellwig zu verkleiden. Es war – ausgerechnet! – Rechtsanwalt Dr. Bertram Bröse, mit dem Elke während ihrer zwischenzeitlichen Ehekrise eine Weile liiert gewesen war.
Jeder seiner Schüler wäre Hubertus jetzt als Tischnachbar lieber gewesen. Auch Elke schien irritiert, nickte Bröse nur kurz zu und blickte mehrfach zu Hubertus. Sie wusste, dass dieser immer gut für einen Eifersuchtsanfall war. Und hier vor all den Leuten …
So oder so: Das Karma an
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