Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
konnte nicht gut gehen. Das hatte er seinem Freund in gewohnt ausführlicher Weise erklärt, doch der hatte ihn überzeugt. Bei Bergers Beisetzung an diesem Mittwochnachmittag vor Fasnacht würden sie alle da sein: die Haushälterin, seine Verflossenen, ja vielleicht sogar der Mörder.
Die Gelegenheit war zu günstig!
Die Mikrofonanlage verstummte. Wieder ertönte das helle Bimmeln der Friedhofsglocke, das Hubertus leicht erschauern ließ. Es bedeutete, dass der Verstorbene jetzt zu Grabe getragen wurde.
Endlich bewegte sich die Menschenschlange, folgte dem auf einem Rollwagen aufgebahrten Sarg. Eskortiert wurde der Verstorbene von Männern mit dunklen Mänteln und Schildmützen.
Das ganze Szenario bestätigte Hummel wieder mal in seinem schon längst gefassten Entschluss: Sollte er mal sterben, dann wollte er im Krematorium verbrannt werden. Sein Gott würde ihm diese Entscheidung schon verzeihen, hoffte er.
Jetzt aber schnell! Sie überholten möglichst unauffällig die Trauergemeinde und näherten sich der Spitze der Prozession, die sich zwischen den schneebedeckten Gräbern hindurchschlängelte. Im matten Februarlicht war schon die Tonsur des Dekans hinter dem großen Kreuz erkennbar, das von einem Ministranten getragen wurde.
Unter einer Trauerweide machte der Zug schließlich halt.
Ein längliches Loch in der Erde: das ausgehobene Grab.
Der Boden war Ende Februar immer noch hart gefroren. Als wolle die Erde den Toten gar nicht haben.
Die Kränze lagen auch schon bereit: von der Narrozunft, der Handwerkskammer, der DJK – und von der Schwenninger Narrenzunft. Ob das im Sinne des Toten war?
Zehn Meter und zwanzig Trauernde entfernt erblickte Hummel Bergers Haushälterin. Endlich! Klar, sie war auch älter geworden, fast noch kleiner als früher, etwas buckliger.
Er zog Riesle in Richtung Berta Gremmelsbacher, die unter der kahlen Trauerweide stand. Sie war eine treue Helferin in der Münstergemeinde. Hummel erinnerte sich noch gut an ihren köstlichen selbst gebackenen Apfelkuchen im Kommunionsunterricht, doch jetzt verdrängte er diese Gedanken und bemühte sich um einen betroffenen Gesichtsausdruck.
»Guten Tag, Frau Gremmelsbacher. Herzliches Beileid zum Tod Ihres Chefs!«
»Ach, Hubertus! Danke, des isch ganz lieb von dir«, antwortete die alte Frau und trocknete ihre tränennassen Wangen.
Da sie Hubertus schon als kleinen Jungen gekannt hatte, duzte sie ihn noch immer. Hummel hingegen blieb beim Siezen.
»Furchtbar, was mit dem Herrn Berger geschehen ist, nicht wahr?«, versuchte Hubertus, die Unterhaltung nicht abbrechen zu lassen.
»Grauenhaft. I han ihn als Letschte no g’sehe. Im Keller vu seiner Villa«, flüsterte sie Hubertus zu und setzte einen leisen Schluchzer hinzu.
Wieder erntete Hummel böse Blicke der Umstehenden. Doch jetzt konnte er nicht mehr zurück.
»Sind denn irgendwelche Verwandten wie die Exfrau und …« Hummel stockte. Welche Formulierung war jetzt wohl die passendste? »… seine ehemaligen Lebensgefährtinnen da?«
Berta Gremmelsbacher deutete mit dem Kopf in Richtung Grab. »Nebe dem Dekan stoht so ä große Blonde.«
Hummel folgte ihrem Blick und nickte dann. Sie war um die vierzig, die Attraktivste im Umkreis und kaum zu übersehen.
»Des war sei Letschte!«
In ihrem Ton lag etwas Abschätziges.
Hubertus beobachtete die blonde Frau. Sie schnäuzte sich gerade und betupfte mit einem Taschentuch immer wieder ihre Augen. Moment mal! Den Mann neben ihr, den Mittelscheitel, diese kleinen, giftigen Augen und diese rundlichen Brillengläser kannte er doch: Müller!
Gerade senkte der Hauptkommissar seinen Kopf zur Seite und flüsterte der Frau etwas ins Ohr. Auch er erhoffte sich von der Beerdigungsgesellschaft offenbar Erkenntnisse über den Mordfall.
»Frau Gremmelsbacher, haben Sie noch weitere Verflossene von Berger erkannt?«
Jetzt schaute sie Hubertus leicht vorwurfsvoll an: »I bin jo nit grad unterm Bett vum Chef g’lege!«
»Natürlich nicht! Aber Sie haben sie doch alle gekannt, nicht wahr?« Hummel bemühte sich um einen sanften Ton.
»Wieso interessiert dich des eigentlich?«, fragte die Haushälterin.
»Herr Riesle vom Kurier « – er deutete mit dem Kopf auf Klaus – »und ich ermitteln in diesem Mordfall. Wir sind sicher, dass Bergers Mörder oder gar die Mörderin auch auf der Beerdigung ist!«
Kurzes Schweigen. Dann ging die Haushälterin einen Schritt auf Hummel zu. »Un do drübe, des isch seine Frau. Mei Gott, dass die sich
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