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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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große Popularität voraus. Aber selbst wenn sie in die von dir prophezeite Richtung geht, lässt sich das sehr wohl aufhalten. Auf eine Weise, die so glatt ist wie eine Deichsel. Es ist das Einfachste auf der Welt, einen Index für verbotene Bücher zu schaffen.«
    Gutenberg, der noch vor kurzem bis über beide Ohren gestrahlt hatte, war in sich zusammengesunken. So sehr, dass er Reynevan leid tat.
    »Ihr sagt also meiner Erfindung keine große Zukunft voraus«, stellte er nach einer Weile mit Grabesstimme fest. »Mit inquisitorischem Eifer habt Ihr ihre dunkle Seite freigelegt. Und so wie die Inquisitoren die helle Seite außer Acht gelassen. Die klare, die heiligste. Man wird Gottes Wort drucken können und genauso weit verbreiten. Was entgegnet Ihr darauf?«
    »Wir antworten wie die Inquisitoren.« Scharley verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen. »Wie der Papst. Wie die Väter des Konzils. Was denn, Herr Gutenberg, wisst Ihr nicht, was die Väter des Konzils gesagt haben?
Sacra pagina
soll ein Privileg der Geistlichen sein, denn nur sie sind fähig, sie zu begreifen. Weltliche Holzköpfe sollen die Finger davon lassen.«
    »Ihr spottet.«
    Reynevan dachte dies auch. Denn als Scharley weitersprach, verhehlte er weder sein spöttisches Lächeln noch seinen spöttischen Ton.
    »Den Laien, selbst wenn sie ein Bröckchen Verstand besäßen, genügen Predigten, Belehrungen, das sonntägliche Evangelium,Zitate, Geschichtchen und Moralitäten. Und die Minderbemittelten sollen die Schrift durch Krippenspiel, Wunder, Passion und Kreuzweg kennen lernen, sollen
Laudes
singen und in den Kirchen Statuen und Bilder begaffen. Und Ihr wollt für diese Hohlköpfe die Heilige Schrift drucken und sie ihnen geben? Vielleicht noch zusätzlich aus dem Lateinischen in die Volkssprache übersetzt? Damit sie ein jeder lesen und auf seine Weise interpretieren kann? Wollt Ihr, dass es dazu kommt?«
    »Das muss ich überhaupt nicht wollen«, antwortete Gutenberg ruhig. »Denn das ist schon geschehen. Nicht einmal weit von hier. In Böhmen. Egal, wie die Geschichte weitergeht, nichts wird mehr diese Tatsache und auch nicht ihre Auswirkungen ändern. Ob wir es wollen oder nicht, wir stehen am Vorabend eines Refomzeitalters.«
    Es wurde still. Reynevan schien es, als ströme Kälte in den Raum. Vom Fenster her, von dem nur einen Rübenwurf entfernten Dominikanerkloster, in dem die Inquisition residierte.
    »Als sie Hus in Konstanz verbrannt haben«, wagte Unger endlich das lange Schweigen zu beenden, »ist aus Asche und Rauch eine Taube aufgestiegen, sagen die Leute. Sie sagen, das ist ein Omen. Es kommt ein neuer Prophet . . .«
    »Ach, weil das auch solche Zeiten sind«, brach es plötzlich aus Justus Schottel hervor, »dass man nichts anderes tun muss, als irgendwelche Thesen aufzuschreiben und sie, verdammtes Hurenpack, an die Tür von irgendeiner Kirche zu nageln. Husch, Luther, husch, runter vom Tisch, du freches Katzenvieh!«
    Wieder herrschte ein langes Schweigen, in das das zufriedene Schnurren des Katers Luther drang.
    Scharley beendete es.
    »Ich spucke auf Dogmen, Doktrinen und Reformen«, sagte er, »aber eines gefällt mir, ein Gedanke bereitet mir große Freude. Wenn Ihr mit Eurer Erfindung Bücher druckt, dann werden auch die Leute lesen lernen und werden wissen, dass es was zu lesen gibt. Denn nicht nur die Nachfrage bedingt das Angebot,sondern auch
vice versa
. Im Anfang war das Wort,
in principio erat verbum.
Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das Wort, das Buch also, billiger ist als ein Kartenblatt, als ein Tonfläschchen Wodka, weil das eine Frage der Auswahl ist. Zusammenfassend sage ich also, wisst Ihr was, Herr Gutenberg? Wenn man ihre Nachteile außer Acht lässt, gelange ich nach reiflicher Überlegung zu der Ansicht, dass Eure Erfindung epochemachend sein kann.«
    »Du hast mir die Worte aus dem Mund genommen, Scharley«, versicherte Samson Honig, »aus dem Mund hast du sie mir genommen.«
    »Also«, das Gesicht des Baccalaureus erhellte sich wieder, »Ihr wollt sie sponsern . . .«
    »Nein.« Scharley ließ ihn nicht ausreden. »Das will ich nicht. Epochemachend hin, epochemachend her, Herr Gutenberg, aber ich bin Geschäftsmann.«

Sechzehntes Kapitel
    in dem Reynevan, edel wie Parzival und genauso dumm, jemanden aus einer Bedrängnis retten will und sich zum Verteidigungskampfe stellt. Am Ende müssen alle Gefährten ihr Heil in der Flucht suchen. Und das sehr schnell.
    B asilicus super

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