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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gleich darauf oben, in einem dunklen, stickigen und mit dem Geruch nach altem Käse erfüllten Inneren. Derjenige, der die Schnur herabgelassen und ihm hinaufgeholfen hatte, war kein anderer als der Goliarde im roten Wams mit der spitzen Kapuze. Derselbe, der vor kurzem in der Schenke den Hussitenbrief vorgelesen hatte.
    »Pst«, zischte er und legte den Finger auf den Mund. »Seid still, Herr.«
    »Ist es hier . . .«
    »Sicher? Ja. Wir verstecken uns immer hier.«
    Reynevan hätte zwar gerne herausgefunden, warum regelmäßig niemand die sich hier regelmäßig Versteckenden fand, aber dazu war vorerst keine Zeit. Direkt an der Käskammer ritt Rotkirch vorbei. Er nieste und ritt weiter, ohne das Bauwerk auf Pfählen auch nur eines Blickes zu würdigen.
    »Ihr seid Reinmar von Bielau«, ließ sich der Goliarde aus dem Dunkel vernehmen. »Der Bruder von Peter, der in Balbinow ermordet worden ist.«
    »Richtig«, bestätigte Reynevan nach einer Weile. »Du hingegen hast dich hier aus Angst vor der Inquisition versteckt.«
    »Richtig«, bestätigte der Goliarde nach einer Weile. »Das, was ich in der Schenke vorgelesen habe . . . die Artikel . . .«
    »Ich weiß, was das für Artikel waren. Aber die, die gerade angekommen sind, das ist nicht die Inquisition.«
    »Man weiß nie.«
    »Du hast Recht. Aber es sah so aus, als hättest du Gönner. Und trotzdem versteckst du dich.«
    »Ihr etwa nicht?«
     
    Die Käskammer hatte in ihren Wänden zahlreiche Löcher, die dazu dienten, den trocknenden Käselaibern die Luftzufuhr zu sichern, gleichzeitig boten sie Gelegenheit nach allen Seiten hin hinauszublicken. Reynevans Auge haftete an der Öffnung, die auf die Schenke und den von Pechfackeln erhellten Hof hinausging.Er konnte sehen, was vor sich ging. Die Entfernung gestattete ihm zwar nicht, etwas zu hören. Aber es war nicht schwer, es sich auszumalen.
     
    Der Kriegsrat in der Schenke dauerte immer noch an, nur einige wenige hatten sie verlassen. Die Sterz’ wurden auf dem Hof also im Wesentlichen von den Hunden begrüßt, außerdem noch von einigen Waffenknechten und ein paar Raubrittern, unter ihnen auch Kuno Wittram und John von Schoenfeld mit seinem bandagierten Schädel. »Begrüßt« war unbedingt ein zu großes Wort, kaum einer der Ritter hob auch nur den Kopf. Wittram und zwei andere widmeten ihre ganze Aufmerksamkeit einem Hammelrumpf, von dessen Rippen sie die letzten Fleischreste herunterkratzten und sich in den Mund stopften. Schoenfeld stillte seinen Durst mit Malvasier, den er mit Hilfe eines durch die Bandagen geschobenen Strohhalms einsaugte. Die Schmiede und die Händler waren schlafen gegangen, die Mägde, die Mönche, die Vaganten und die Zigeuner waren vorsorglich irgendwohin verschwunden, und die Knechte taten sehr beschäftigt. All dies hatte zur Folge, dass Wolfher Sterz seine Frage wiederholen musste.
    »Ich habe gefragt«, donnerte er von seinem Pferd herab, »ob Ihr einen Jüngling gesehen habt, der meiner Beschreibung entspricht. Ist er hier oder war er hier? Vielleicht will mir endlich mal einer antworten? He! Seid ihr, die Pest über Euch, vielleicht alle taub?«
    Kuno Wittram spie einen Hammelknochen aus, der direkt vor den Hufen des Pferdes landete. Der zweite Ritter wischte seine Finger am Waffenrock ab, blickte zu Wolfher und ruckte vielsagend an seinem Schwertgurt. Schoenfeld nuckelte an seinem Strohhalm, ohne den Kopf zu heben.
    Rotkirch kam angeritten, gleich darauf gesellte sich auch Dieter Haxt zu ihnen. Beide schüttelten unter den fragenden Blicken von Wolfher und Morold verneinend den Kopf. Wittich fluchte.
    »Wer hat so einen gesehen, wie ich ihn beschrieben habe?«, fragte Wolfher erneut. »Wer? Du vielleicht? Nein? Und du? Ja, du, du Fleischberg, ich rede mit dir! Hast du ihn gesehen?«
    »Nein«, antwortete der vor der Schenke stehende Samson Honig, »ich hab’ nichts gesehen.«
    »Wer ihn gesehen hat und ihn mir zeigen kann«, Wolfher stützte sich auf den Sattelknopf, »erhält einen Dukaten. Naa? Hier ist der Dukaten, damit ihr nicht denkt, ich lüge. Es genügt, wenn ihr mir den Menschen zeigt, den ich suche. Mir bestätigt, dass er hier ist oder hier war. Wer das tut, dem gehört der Dukaten. Naa? Wer will ihn sich verdienen? Du? Oder du vielleicht?«
    Einer der Knechte kam zögernd näher.
    »Ich, Herr, ich hab’ . . .«, begann er. Aber er brachte seinen Satz nicht zu Ende, denn John von Schoenfeld hatte ihn kräftig in den Hintern getreten. Der Knecht fand sich auf

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