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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Euch versichern. Die Welt wird den Unterschied zwischen wahrhaftigem und vorgeblichem Handeln kennen lernen. Zwischen echtem Kampf und reiner Augenwischerei.«
    Der Bischof hatte bei seiner Rede so viel Gift versprüht, war so von abgrundtiefem Hass erfüllt, dass Reynevan spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Sein Herz fing so heftig an zu klopfen, dass er befürchtete, die da unten könnten es hören. Die da unten hatten allerdings anderes im Kopf. Kaspar Schlick besänftigte erneut die aufgebrachten Gemüter und schlichtete den Streit, dann forderte er dazu auf, die Lage in Böhmen in Ruhe und in allen Einzelheiten zu besprechen. Die Streithähne, Bischof Konrad, Gottfried Rodenberg, Ludwig von Brieg und Albrecht von Kolditz, schwiegen, und die Böhmen und Mährer, die bisher geschwiegen hatten, ergriffen nun das Wort. Weder Reynevan noch Scharley noch Samson kannten einen von ihnen, aber es wurde ihnen bald klar   – oder so gut wie klar, dass dies Herren aus den Gebieten waren, in denen der Pilsener Landfrieden galt, sowie Abgesandte des dem Luxemburger treuen böhmischen Adels, die sich um Johann von Krawař, den Herrn auf Jičina, scharten. Kurz darauf stellte sich auch heraus, dass der berühmte Johann von Krawař zu den Anwesenden gehörte.
    Johann von Krawař, ein hoch gewachsener Dunkelhaariger mit dunklem Bart und einem Gesicht, dessen Farbe bewies, dass er sich mehr im Sattel als im Haus aufhielt, hatte das meiste zur gegenwärtigen Lage in Böhmen beizutragen. Niemand unterbrach ihn, als er mit ruhiger, fast leidenschaftsloser Stimme sprach, alle beugten sich vor und betrachteten schweigend die Landkarte des böhmischen Königreiches, die auf dem Tisch an der Stelle ausgebreitet worden war, von der die Dienerschaft das säuberlich abgenagte Ochsenskelett entfernt hatte.Von oben waren Einzelheiten auf der Landkarte nicht zu erkennen, daher musste sich Reynevan auf seine Vorstellungskraft verlassen, als der Herr auf Jičina von den Angriffen der Hussiten auf Karlstein und Zebrak berichtete, die erfolglos geblieben waren, und von denen auf Švihov, Oboříště und Kwětnica, die leider gelungen waren. Von den Kämpfen im Westen gegen die König Sigismund getreuen Herren von Pilsen, Elbogen und Brüx. Von Angriffen im Süden, die vorläufig von den katholischen Einheiten des Herrn Oldřich von Rožmberk abgewehrt worden waren. Von der Bedrohung Iglaus und Olmütz’ durch die Verbündeten von Zygmunt Korybut, Bořek von Miletínek und Roháč z Dubé. Von den das nördliche Mähren gefährdenden Attacken des Dobko Puchała, eines polnischen Ritters vom Wappen Wieniawa.
    »Ich muss pissen!«, flüsterte Scharley. »Ich kann’s kaum noch halten . . .«
    »Vielleicht hilft dir das auszuhalten«, raunte Samson Honig, »wenn sie dich entdecken, bepisst du dich ein letztes Mal am Strick.«
    Unten begannen sie von Troppau zu reden. Und sofort kam es zum Streit.
    »Przemko von Troppau halte ich nicht für einen zuverlässigen Verbündeten«, erklärte Bischof Konrad.
    »Worum geht es denn überhaupt?« Kaspar Schlick hob den Kopf. »Um seine Heirat? Dass er sich ausgerechnet mit der Witwe von Johann, dem Herzog von Ratibor, vermählt hat? Dass sie eine Jagiellonin ist, die Tochter von Dimitri Korybut, eine Nichte des polnischen Königs, die Schwester von Zygmunt Korybut, der uns so viel Kopfzerbrechen bereitet? Ich kann den Herren versichern, dass sich König Sigismund nicht um diese Verwandtschaft schert. Die Jagiellonen sind eine Familie von Wölfen, die beißen sich eher gegenseitig weg als zusammenzuhalten. Przemko von Troppau wird sich nicht mit dem Sohn des Korybut verbünden, nur weil der zufällig sein Schwager ist.«
    »Przemko ist bereits ein Bündnis eingegangen«, entgegnete ihm der Bischof. »Im März, in Hombok. Und in Olmütz, am Sankt-Urbans-Tag. Wie schnell haben sich Troppau und die mährischen Herren mit den Ketzern geeinigt, wie rasch gehen sie Bündnisse miteinander ein. Was sagt Ihr dazu, Herr Johann von Krawař?«
    »Sprecht nicht schlecht über meinen Schwiegervater oder über den mährischen Adel«, versetzte grollend der Herr auf Jičina. »Ihr sollt wissen, dass dank der Übereinkünfte von Hombok und Olmütz jetzt Frieden in Mähren herrscht.«
    »Und die Hussiten«, Kaspar Schlick lächelte überheblich, »haben freie Bahn für den Handel mit Polen. Wie wenig, ach, wie wenig versteht Ihr von Politik, Herr Johann.«
    »Wenn uns . . .«, das gebräunte Gesicht Johann von

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