Narrenturm - Roman
Etwaige Zweifel daran wurden beseitigt, als seine Stimme zu hören war, klangvoll und deutlich wie die eines Jünglings.
»Ich sag’ es noch einmal, wir sind Euch, Herr, für diese Auskünfte zu großem Dank verpflichtet. Uns selbst wäre es nicht leicht geworden, sie zu bekommen. Die Kaufleute verdirbt ihre Habsucht, und im Handelsgeschäft lässt sich eine Verschwörung kaum geheim halten, ein Geheimnis ist schnell ausgeplaudert, es gibt zu viele Mitwisser und Mittelsmänner. Früheroder später wird einer, der sich mit den Hussiten eingelassen hat und mit ihnen Handel treibt, denunziert. Aber mit den adeligen Herren und den Bürgern ist das weitaus schwieriger, denn sie wahren ihr Schweigen, sind vor der Inquisition auf der Hut und wissen, was Ketzern und hussitischen Gönnern blüht. Und es ist wahr, ich sage es noch einmal, ohne die Hilfe aus Prag wären wir nie auf die Spur solcher Leute wie Albrecht Bart oder Peter de Bielau gekommen.«
Der Mann, der mit dem Rücken zum Fenster saß, sprach mit einem eindeutigen Akzent. Es war ein Böhme.
»Peter von Bielau konnte ein Geheimnis bei sich behalten«, teilte er dem Bischof mit. »Selbst bei uns in Prag wusste so gut wie keiner etwas von ihm. Aber Ihr wisst ja, wie das ist: Unter Feinden sieht der Mensch sich vor, unter Freunden hingegen löst sich die Zunge. Wo wir gerade dabei sind, ich nehme doch an, dass Euch hier unter Freunden nicht ein unbedachtes Wort entschlüpft ist, Bischof, was mich anbelangt?«
»Ihr beleidigt mich, wenn Ihr so etwas annehmt«, antwortete Konrad stolz. »Ich bin kein Kind mehr. Darüber hinaus findet unsere Begegnung nicht ohne Grund hier in der Einöde von Eichau statt. Das ist ein sicherer und verschwiegener Ort. Und hier sind nur Leute zusammengekommen, denen wir trauen können. Freunde und Verbündete. Außerdem hat keiner von ihnen Euch zu sehen bekommen, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
»Solch eine Vorsicht lob ich mir. Denn es gibt, das könnt Ihr mir glauben, auch hussitische Ohren im Schloss in Schweidnitz, bei Herrn von Kolditz und auch bei Herrn Puta in Glatz. Was die hier anwesenden mährischen Herren anbelangt, so rate ich zu größter Vorsicht. Ohne jemanden beleidigen zu wollen – sie wechseln gerne die Seiten. Herr Johann von Krawař hat unter den Hussiten viele Blutsverwandte, ist mit vielen von ihnen verschwägert . . .«
Der Dritte in der Runde ergriff das Wort. Er saß dem Licht am nächsten. Reynevan erblickte langes, schwarzes Haar undein Vogelgesicht, das dem Mann eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem großen Mauerläufer verlieh.
»Wir sind vorsichtig«, sagte der Mauerläufer. »Und wachsam. Und Verrat wissen wir allerdings zu vergelten, das könnt Ihr mir glauben.«
»Ich glaube es ja, ich glaube es«, lachte der Böhme. »Wie sollte ich auch nicht, wenn ich daran denke, was Peter von Bielau und Herrn Bart zugestoßen ist? Den Kaufleuten Pfefferkorn, Neumarkt und Throst? Ein Dämon, ein Racheengel geht um in Schlesien und schlägt zu wie der Blitz aus heiterem Himmel. Am helllichten Mittag. In der Tat, ein
daemonium meridianum . . .
Angst hat die Menschen ergriffen . . .«
»Das ist auch gut so, dass er sie ergriffen hat«, warf der Bischof gelassen ein. »Er sollte sie ergreifen.«
»Die Wirkung ist gut zu erkennen.« Der Böhme nickte. »Es ist leer geworden auf den Pässen des Riesengebirges, erstaunlich wenig Kaufleute ziehen nach Böhmen. Unsere Kundschafter gehen schon nicht mehr so gern in geheimer Mission nach Schlesien wie früher, um die einst so lauten Emissäre aus Hradec Králové und Tábor ist es auch seltsam still geworden. Die Leute reden, das Gerücht verbreitet sich und wächst, aus dem Schneeball wird eine Lawine. Peter de Bielau hat man grausam getötet. Pfefferkorn hat der heilige Ort nicht schützen können, sie sagen, in der Kirche habe ihn der Tod ereilt. Hanusz Throst ist nachts gereist, aber der Racheengel sieht und tötet nicht nur am Tage, sondern auch in der Nacht. Und da ich es war, der Euch, Herr Bischof, ihre Namen genannt hat, läuft es wohl darauf hinaus, dass ich sie auf dem Gewissen habe.«
»Ich erteile Euch gern die Absolution. Hier auf der Stelle. Ohne Bußgeld.«
»Herzlichen Dank.« Der Böhme hatte den Spott sehr wohl herausgehört, aber er ignorierte ihn. »Herzlichen Dank, aber ich bin, wie Ihr wisst, Calixtiner und Utraquist, ich erkenne die Ohrenbeichte nicht an.«
»Das ist Eure Angelegenheit und Euer Schaden«, versetzteBischof
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