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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Bewaffnete und Ritter sind heute hier.«
    »Viel. Seht mal, da kommen neue . . .«
    Der Demerit brach unvermittelt ab und sog scharf die Luft ein. Durch das Kerkertor, die Silberberger Straße herauf, kam eben der Raubritter Hayn von Czirne auf den Markt geritten.
    Scharley, Samson und Reynevan fackelten nicht lange. Sie sprangen von der Bank auf und wollten sich in gebückter Haltung wegschleichen, bevor man sie bemerkte. Zu spät. Hayn hatte sie erspäht, der neben ihm reitende Fryczko Nostitz hatte sie erspäht, und auch der Italiener Vitelozzo Gaetani hatte sie erspäht. Letzterem stieg bei Scharleys Anblick vor Wut die Blässe in das immer noch geschwollene und von einer frischen Narbe verunzierte Gesicht. Im nächsten Augenblick hallte der Marktplatz der Stadt Frankenstein von Geschrei und Hufgetrommel wider. Vorerst ließ Hayn seine Wut an dem Schanktisch aus, den er mit seiner Axt zu Spänen zerhieb.
    »Verfolgt sie!«, brüllte er seinen Bewaffneten zu. »Hinterher!«
    »Dort lang!«, schrie Gaetani. »Dort lang sind sie geflohen!«
    Reynevan rannte so schnell es ging, kaum konnte er mit Samson Schritt halten. Scharley lief voraus, suchte einen Weg, bog gewitzt in engere Gässchen ab und kämpfte sich durch dieGärten. Seine Taktik schien sich zu bewähren   – plötzlich verstummten hinter ihnen das Hufgetrappel und die Schreie der Verfolger. Sie stürmten auf die Niederschlesische Straße, in deren Rinnstein Waschwasser schäumte, und wandten sich zum Münsterberger Tor.
    Vom Münsterberger Tor her ritten, schwatzend und faul in den Sätteln hängend, die Sterz’, hinter ihnen Knobelsdorf, Haxt und Rotkirch.
    Reynevan blieb wie angewurzelt stehen.
    »Bielau!«, brüllte Wolfher Sterz. »Jetzt haben wir dich, du Hundesohn!«
    Noch bevor der Ruf verklungen war, rannten Reynevan, Scharley und Samson schwer atmend durch die Gassen, sprangen über Zäune, kämpften sich durch das Dickicht der Gärten, verhedderten sich in den von den Wäscheleinen herunterhängenden Bettlaken. Als sie von links die Rufe von Hayns Leuten und von rechts die Schreie der Sterz’ vernahmen, rasten sie nach Norden, in die Richtung, aus der eben das Glockengeläut der Dominikanerkirche zum heiligen Kreuz erklang.
    »Junker Reinmar! Hierher! Hier entlang!«
    In der Mauer öffnete sich ein kleines Türchen, Andreas Kantor, der Diakon der Dominikaner, stand darin. Der eine Dankesschuld den Bielaus gegenüber hatte.
    »Hier entlang, hier entlang! Schnell! Ihr habt keine Zeit zu verlieren!«
    Das hatten sie wirklich nicht. Sie rannten in den engen Korridor, der, sobald Kantor das Türchen schloss, im Dunkel und im Geruch fauliger Lumpen versank. Reynevan riss mit unbeschreiblichem Getöse ein blechernes Gefäß um, Samson stolperte und stürzte polternd zu Boden. Auch Scharley fiel auf etwas, denn er fluchte gotteslästerlich.
    »Hier entlang!«, rief Andreas Kantor von irgendwo vorn, wo sich ein undeutlicher Lichtschein abhob. »Hier entlang! Hierher! Hierher!«
    Reynevan wälzte sich eher über die schmalen Stufen, als dass er ging. Schließlich erreichte er das Tageslicht, landete auf einem winzigen Innenhof, umgeben von mit wildem Wein bewachsenen Mauern. Scharley, der hinter ihm hinausstürmte, trat auf eine Katze, die Katze fauchte ihn wütend an. Aber noch bevor das Fauchen verklungen war, strömten aus beiden Bogengängen ein Dutzend Leute in schwarzen Gewändern und mit runden Filzkappen.
    Jemand stülpte Reynevan einen Sack über den Kopf, ein anderer stellte ihm ein Bein. Er ging zu Boden. Sofort warf man sich auf ihn und verdrehte ihm die Arme. Neben sich hörte und spürte er Kampfgetümmel, er vernahm ein lautes Schnauben, Geräusche von Schlägen und Schmerzensschreie, die davon zeugten, dass sich Scharley und Samson nicht kampflos ergaben.
    »Hat das Heilige Officium . . .«, die zitternde Stimme Andreas Kantors erklang, »hat das Heilige Officium für die Ergreifung . . . dieses Häretikers . . . eine Prämie vorgesehen? Wenn auch nur eine kleine . . .? Das
significavit
des Bischofs erwähnt zwar davon nichts, aber ich . . . Ich habe Geldsorgen . . . Ich bin in großer finanzieller Bedrängnis . . . Deshalb . . .«
    »Das
significavit
ist ein Befehl, kein Handelsvertrag«, belehrte eine böse röchelnde Stimme den Diakon. »Die Möglichkeit, der heiligen Inquisition zu helfen, ist Belohnung genug für einen jeden guten Katholiken. Bist du etwa kein guter Katholik, Frater?«
    »Kantor . . .«, brachte Reynevan, den Mund

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