Narrenturm - Roman
voller Staub und Fusseln von dem Sack, mühsam und heiser hervor, »Kantooor! Du Hurensohn! Du Kirchentöle! Du in den Arsch gefick . . .«
Er konnte es nicht zu Ende bringen. Etwas Hartes schlug ihm auf den Kopf, vor seinen Augen flimmerte es. Er erhielt noch einen Schlag, der Schmerz verbreitete sich lähmend, seine Finger waren plötzlich taub. Der, der ihn geschlagen hatte, schlug wieder zu. Und wieder. Und wieder. Der Schmerz zwang Reynevan zu schreien. Das Blut pulsierte in seinen Ohren, bis ihm das Bewusstsein schwand.
Er erwachte in vollständiger Dunkelheit, sein Hals war trocken wie ein Holzspan, seine Zunge fühlte sich an wie ein Holzpflock. In seinem Kopf hämmerte der Schmerz, der die Schläfen, die Augen und sogar die Zähne erfasste. Er holte tief Luft und musste husten, so sehr stank es ringsumher. Er bewegte sich, das niedergedrückte Stroh, auf dem er lag, raschelte.
Ganz in der Nähe lallte jemand ganz fürchterlich, ein anderer hustete und stöhnte. Neben ihm plätscherte etwas, Wasser floss. Reynevan leckte seine verklebten Lippen. Er hob den Kopf und stöhnte, so sehr tobte der Schmerz darin. Vorsichtig und langsam erhob er sich. Ein Blick genügte, um sich davon zu überzeugen, dass er sich in einem großen Keller befand. Im Kerker. Auf dem Grunde eines tiefen steinernen Brunnens. Und dass er nicht allein war.
»Du bist aufgewacht«, stellte Scharley fest. Er stand ein paar Schritte von ihm entfernt und pullerte geräuschvoll in einen Eimer.
Reynevan öffnete den Mund, aber er schaffte es nicht, auch nur einen Laut hervorzubringen.
»Es ist gut, dass du aufgewacht bist.« Scharley machte seine Hose wieder zu. »Denn ich muss dir sagen, was die Brücke über die Donau betrifft, halten wir am ursprünglichen Plan fest.« »Wo . . .«, krächzte Reynevan schließlich und schluckte mühsam seinen Speichel hinunter. »Scharley . . . Wo . . . sind wir?«
»Im Heiligtum der St. Dymphna.«
»Wo?«
»Im Spital für Besessene.«
»Wo?!«
»Ich sage es doch. Im Irrenhaus. Im Narrenturm.«
Siebenundzwanzigstes Kapitel
in dem Reynevan und Scharley für ziemlich lange Zeit Ruhe, ärztlichen Beistand, geistige Aufmunterung, regelmäßiges Essen und die Gesellschaft ungewöhnlicher Leute genießen, mit denen sie nach Herzenslust über interessante Themen plaudern können. Mit einem Wort, sie haben alles, was man für gewöhnlich in einem Irrenhaus haben kann.
G elobt sei Jesus Christus. Gesegnet sei der Name der heiligen Dymphna.«
Die Pensionäre des Narrenturmes reagierten mit Strohgeraschel und undeutlichem, weitgehend unverständlichem Gemurmel. Der Bruder vom Heiligen Grabe spielte mit seinem Stock und tätschelte damit seine hohle linke Hand.
»Ihr zwei«, sagte er zu Reynevan und Scharley, »seid neu in unserer Gottesherde. Wir geben den Neuen hier Namen. Und weil wir heute die heiligen Märtyrer Cornelius und Cyprian ehren, wird aus dem einen Cornelius und aus dem anderen Cyprian.«
Weder Cornelius noch Cyprian antworteten.
»Ich bin«, fuhr der Mönch gleichmütig fort, »der Spitalmeister und Betreuer des Turmes. Mein Name ist Bruder Tranquilus.
Nomen est omen.
Zumindest solange mich niemand reizt. Ihr müsst aber wissen, dass es mich ärgert, wenn jemand Lärm macht, sich herumwirft, ein Durcheinander und einen Aufruhr veranstaltet, sich und seine Umgebung verunreinigt, schändliche Ausdrücke gebraucht, Gott und die Heiligen lästert, nicht betet und andere beim Gebet stört. Und überhaupt sündigt. Für Sünder haben wir hier verschiedene Mittel. Den Eichenknüppel.Ein Schaff mit kaltem Wasser. Den eisernen Käfig. Und eine Kette an der Wand. Klar?«
»Klar«, antworteten Cornelius und Cyprian gleichzeitig.
»Also«, Bruder Tranquilus gähnte und betrachtete seinen Stock, einen seit langem in Gebrauch befindlichen, glatt geschliffenen Eichenknüppel. »Fangt an mit der Kur. Wenn ihr das Wohlwollen und den Beistand der heiligen Dymphna erfleht, werden euch, was Gott gebe, die Tollheit und der Irrsinn verlassen, und ihr werdet geheilt in den unversehrten Schoß der Gesellschaft zurückkehren. Dymphna ist unter den Heiligen für ihre Gnade bekannt, also habt ihr ganz gute Aussichten. Aber hört nicht auf, zu beten. Klar?«
»Klar.«
»Na dann. Mit Gott.«
Der Mönch entschwand über die knarrenden Stiegen, die sich an der Mauer emporwanden und irgendwo hoch oben vor einer äußerst stabilen Tür endeten, was man am Echo erkennen konnte, als sich die Tür öffnete und
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