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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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endlich die Reihe an dir, Reinmar. Lass uns reden. Der Sekretär und der Kleriker brauchen dich nicht zu kümmern. Das sind Vertraute. Sie sind zwar anwesend, aber so, als wären sie nicht da.«
    Reynevan räusperte sich, aber der Kanonikus ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Herzog Konrad Kantner ist vor vier Tagen, am St.-Laurentius-Tag, nach Breslau gekommen. Mit einem Gefolge von schrecklichen Klatschmäulern. Der Herzog selbst gehört auch nicht gerade zu den diskretesten Menschen. Daher bin nicht nur ich, sondern fast ganz Breslau über die außerehelichen Affären der Adele, der Ehefrau des Gelfrad von Sterz, auf dem Laufenden.«
    Reynevan räusperte sich erneut, und senkte den Kopf, weil er den bohrenden Blick nicht ertragen konnte. Der Kanonikus faltete die Hände wie zum Gebet.
    »Reinmar, Reinmar«, tadelte er ihn mit etwas gekünstelter Erregung, »wie konntest du nur? Wie konntest du göttliches und menschliches Recht so sehr beleidigen? Es steht doch geschrieben: Die Ehre der Ehe sei heilig und das eheliche Bett unantastbar, denn die Lüstlinge und Ehebrecher straft Gott. Und ich füge meinerseits noch hinzu, dass nur allzu oft den betrogenen Ehemännern die göttliche Gerechtigkeit zuteil wird. Und dass sie sie selbst sehr oft ausüben. Sehr streng ausüben.«
    Reynevan räusperte sich noch lauter und senkte den Kopf noch tiefer.
    »Aha«, vermutete Otto Beess, »sie sind schon hinter dir her?«
    »Sie sind hinter mir her.«
    »Und sind dir schon auf den Fersen?«
    »Auf den Fersen.«
    »Du junger Dummkopf!«, sagte der Geistliche nach einem weiteren Moment des Schweigens verächtlich. »Man sollte dich in den Narrenturm stecken! Da gehörst du hin! Du würdest vortrefflich zu seinen Bewohnern passen!«
    Reynevan zog die Nase kraus und machte ein Gesicht, von dem er glaubte, es wirke betreten. Der Kanonikus nickte, seufzte tief und flocht die Finger ineinander.
    »Du konntest dich wohl nicht zurückhalten, was?«, fragte er dann mit Kennermiene. »Dir hat nachts von ihr geträumt?«
    »Konnte ich nicht. Hab’ von ihr geträumt.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Otto Beess leckte sich die Lippen und in seinen Augen blitzte es plötzlich auf. »Ich weiß ja, dass die verbotene Frucht am süßesten schmeckt, dass man, oh, dass man die unbekannte Brust umfassen will. Ich weiß wohl, dass Honig von den Lippen der Unbekannten träufelt und dass ihr Gaumen glatt ist wie Öl. Aber schließlich, glaube mir, klug lehren uns die
Proverbia
Salomos: Sie wird bitter wie Absinth und scharf wie ein zweischneidiges Schwert,
amara quasi absinthium et acuta quasi gladius biceps.
Sei auf der Hut, mein Sohn, dass du nicht für sie wie ein Nachtfalter in der Flamme verbrennst. Dass du ihrethalben nicht den Tod findest, nicht ins Verderben stürzt. Höre die klugen Worte der Schrift: Geh deinen Weg, fern von ihr, geh nicht zur Tür ihres Hauses,
longe fac ab ea viam tuam et ne adpropinques foribus domus eius.
«
    »Geh nicht zur Tür ihres Hauses«, wiederholte der Kanonikus und seiner Stimme entschwand, als wäre sie nie dagewesen, jegliche rhetorische Färbung. »Sperr die Ohren auf, Reinmar Bielau. Nimm dir die Worte der Schrift und die meinigen wohl zu Herzen. Schreib sie dir gut ins Gedächtnis. Höre meinen Rat: Halte dich fern von dieser Person! Tu nicht das, was du vorhast zu tun und was ich in deinen Augen lese, Schelm. Halte dich fern von ihr!«
    »Ja, ehrwürdiger Vater.«
    »Mit der Zeit lässt sich die Affäre schon irgendwie bereinigen. Den Sterz’ drohen wir mit der Kurie und dem Landfrieden,der Ehrenhandel wird mit zwanzig Pönalen abgegolten, die einfache Strafe von zehn Pönalen wird man dem Magistrat von Oels zahlen müssen. Insgesamt also nicht mehr, als ein Rassepferde wert ist, so viel kriegst du mit Hilfe deines Bruders zusammen, und wenn nötig, lege ich auch noch was drauf. Dein Oheim, der Scholastiker Henryk, war mir ein guter Freund und Lehrer.«
    »Dank sei Euch . . .«
    »Aber ich kann dir nicht helfen«, unterbrach ihn der Kanonikus erregt, »wenn sie dich fassen und erschlagen! Begreifst du das, du verdammter Esel? Du musst dir ein für allemal Gelfrad Sterz’ Weib aus dem Kopf schlagen, auch dass du sie heimlich triffst, Briefe oder Boten sendest und das alles. Du musst verschwinden. Wegfahren. Ich rate dir zu Ungarn. Sofort. Ohne zu zögern. Hast du mich verstanden?«
    »Ich wollte vorher noch nach Balbinow, zu meinem Bruder . . .«
    »Das erlaube ich auf keinen Fall!« Otto Beess ließ ihn

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