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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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um, »pass auf dich auf. Die Jagd auf hussitische Emissäre dauert an. Auf Fremde und Neuankömmlinge hat man ein wachsames Auge, wenn man welche erspäht, wird es sogleich gemeldet.Denn wer nicht meldet, ist bald selbst verdächtig. Du aber, nicht genug, dass du fremd bist und niemandem bekannt, dein Name und dein Geschlecht sind in Schlesien berühmt geworden, und immer mehr Leute spitzen bei dem Namen Bielau die Ohren. Denk dir was aus. Nenne dich . . . hmmm . . . der Vorname kann derselbe bleiben, nur darf dir der Name nicht . . . Ich hab’s . . . Reinmar von Hagenau.«
    »Aber«, Reynevan schmunzelte, »so hieß ein berühmter Poet . . .«
    »Mäkle nicht herum. Es sind schwere Zeiten. Wer kennt in solchen schon die Namen von Dichtern?«
    Scharley beendete seine Vorführung mit einem kurzen, energischen Galopp, und dann zügelte er das Pferd, dass der Kies spritzte. Er ritt heran und zwang dabei den Braunen zu solch tänzelnden Schritten, dass er wiederum Applaus erhielt.
    »Ein gelehriges Biest«, sagte er und klopfte dem Hengst den Hals. »Und wendig. Noch einmal Dank, Dzierżka. Leb wohl.«
    »Lebt wohl. Gott soll euch geleiten.«
    »Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen. Hoffentlich in besseren Zeiten.«

Zwölftes Kapitel
    in dem an den Vigilien des heiligen Ägidius, die auf einen Freitag fallen, Reynevan und Scharley eine Fastenmahlzeit im Benediktinerkloster verspeisen. Nach dem Essen treiben sie den Teufel aus. Mit völlig unbeabsichtigter Wirkung.
    D as Kloster hörten sie, noch bevor sie es sahen, denn tief im Wald versteckt meldete es sich plötzlich mit tiefem, melodischem Glockenläuten. Noch bevor das Geläut verklungen war, tauchten die von Mauern umgebenen Gebäude mit ihren roten Dächern zwischen dem Blattwerk von Erlen und Hainbuchen auf, blickten auf die von Entengrütze und Brachsenkraut grünen, spiegelglatten Teiche, über die nur manchmal konzentrische Kreise liefen, die von den Fressbewegungen großer Fische herrührten. Im Schilf quakten die Frösche, schnatterten die Enten und glucksten und gluckerten die Wasserhühner.
    Die Pferde gingen im Schritt auf einer Allee über den befestigten Damm.
    »Sieh da«, Scharley deutete, in den Steigbügeln stehend, nach vorn, »sieh da, da haben wir auch schon das Klösterchen. Ich bin neugierig, nach welchen Regeln sie hier leben. Wie heißt es doch in jenem bekannten Zweizeiler:
    Bernardus valles, montes Benedictus amabat,
    Oppida Franciscus, celebres Dominicus urbes.
    Hier liebt jemand Moore, Teiche und Dämme. Obwohl die Liebe wohl weniger den Teichen und Dämmen gilt als den Karpfen. Was denkst du, Reinmar?«
    »Ich denke nichts.«
    »Aber einen Karpfen würdest du essen? Oder eine Schleie. Heute ist Freitag, und die Mönche haben zur None geläutet. Vielleicht spendieren sie uns ein Mittagessen?«
    »Ich zweifle.«
    »Warum und woran?«
    Reynevan antwortete nicht. Er blickte zu der zur Hälfte offen stehenden Pforte des Klosters, aus der soeben ein scheckiges Pferd mit einem Mönch im Sattel hervorkam. Der Mönch trieb unmittelbar hinter der Pforte den Schecken zu einem scharfen Galopp an   – und das nahm ein schlechtes Ende. Obwohl der Schecke bei weitem kein Andalusier, geschweige denn das Pferd eines Lanzenreiters war, erwies er sich als feurig und widerspenstig, der Mönch hingegen, den sein schwarzer Habit als Benediktiner auswies, verfügte über so gut wie keine reiterliche Geschicklichkeit, und zu allem Überfluss hatte er den Schecken auch noch mit Sandalen bestiegen, die in ihren Riemen nicht recht halten wollten. Nach etwa einer Viertelstadie bockte das scheckige Pferdchen, der Mönch flog aus dem Sattel und kullerte unter eine Weide, dass seine blanken Waden blitzten. Der Schecke schlug aus, wieherte, zufrieden mit sich, laut auf und lief in leichtem Trab auf dem Damm den beiden Wanderern entgegen. Als er an ihnen vorbeiwollte, fasste Scharley ihn am Zügel.
    »Jetzt sieh dir mal diesen Zentauren an!«, sagte er. »Das Zaumzeug aus Stricken, der Sattel aus einer Decke und der Sattelgurt aus Lumpen. Ich weiß nicht, ob die Regeln des heiligen Benedikt von Nursia das Reiten erlauben oder verbieten. Aber so zu reiten gehört verboten.«
    »Er hatte es eilig, das konnte man sehen.«
    »Das ist keine Entschuldigung.«
    Den Mönch, ähnlich wie zuvor das Kloster, hörten sie schon, bevor sie ihn sahen. Er saß mitten in den Kletten, den Kopf auf die Knie gelegt, und weinte bitterlich; er schluchzte so sehr, dass es einem ins Herz

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