Narrenturm - Roman
Inquisitor?«
»Du hast es fast getroffen«, antwortete Dzierżka de Wirsing halblaut. »Das ist der Steuereinnehmer. Er erhebt die Steuer.«
»Was für eine Steuer?«
»Eine einmalige Sondersteuer. Für den Krieg mit den Ketzern.«
»Den böhmischen?«
»Gibt’s noch andere?« Dzierżka verzog erneut das Gesicht. »Die Steuer haben die Herren auf dem Reichstag in Frankfurt beschlossen. Ist ein Besitz mehr wert als zweitausend Gulden, ist ein Gulden zu entrichten, ist er weniger wert, ein halber Gulden. Jeder Knappe aus ritterlichem Geschlecht soll drei Gulden geben, der Ritter fünf, der niedere Adel zehn . . . Alle Geistlichen sollen fünf von hundert ihrer jährlichen Einkünfte zahlen, die Geistlichen ohne Einkünfte – zwei Groschen.«
Scharley lachte so, dass seine weißen Zähne zu sehen waren.
»Sicher haben alle Geistlichen erklärt, keinerlei Einkünftezu haben. Allen voran der eben erwähnte Bischof von Breslau. Immerhin mussten vier kräftige Kerle den Kasten mit dem Geld heraustragen. Als Eskorte habe ich acht Leute gezählt. Es ist doch seltsam, dass eine so kleine Gruppe so ein stattliches Gewicht schützen soll.«
»Die Eskorte wird den ganzen Weg über ständig erneuert«, erklärte Dzierżka. »Jeder Ritter hat auf seinem Gebiet Bewaffnete zu stellen. Deswegen sind ihrer momentan nicht viele. Scharley, das ist wie mit dem Zug der Juden durch das Rote Meer. Die Juden sind schon durch, und die Ägypter sind noch nicht herangekommen . . .«
»Und das Meer ist zurückgewichen.« Scharley kannte den Scherz auch. »Ich verstehe. Nun, Dzierżka, werden wir uns verabschieden. Besten Dank für alles.«
»Du wirst mir gleich richtig danken können. Denn ich lasse gerade ein Pferdchen für dich herrichten. Damit du nicht zu Fuß laufen musst und eine Chance hast, wenn dir die Verfolger zu nahe kommen. Glaub nur nicht, dass ich das aus Erbarmen und Herzensgüte tue. Du gibst mir das Geld bei Gelegenheit zurück. Vierzig rheinische Gulden. Mach nicht so ein Gesicht! Das ist ein Freundschaftspreis! Du solltest mir dankbar sein.«
»Das bin ich auch.« Der Demerit strahlte. »Das bin ich, Dzierżka. Vielen, vielen Dank. Auf dich hat man noch immer zählen können. Und damit es nicht heißt, dass ich immer nur der Nehmende bin, hier ist ein Geschenk für dich.«
»Geldbörsen«, stellte Dzierżka ohne rechte Begeisterung fest. »Nicht hässlich. Mit Silberfäden bestickt. Und mit Perlen. Die sind hübsch, auch wenn sie unecht sind. Aber warum gleich drei?«
»Weil ich großzügig bin. Aber das ist noch nicht alles.« Scharley senkte die Stimme und sah sich um. »Du musst wissen, Dzierżka, dass der hier anwesende junge Reinmar über gewisse . . . hmmm . . . Fähigkeiten verfügt. Ungewöhnliche, um nicht zu sagen . . . magische.«
»He?«
»Scharley übertreibt«, entrüstete sich Reynevan. »Ich bin Medicus und kein Magier . . .«
»Eben«, fiel ihm der Demerit ins Wort. »Wenn du also ein Elixier brauchst oder ein Filtrat . . . Für die Liebe, sagen wir mal . . . ein Aphrodisiakum . . . etwas für die Potenz . . .«
»Für die Potenz«, wiederholte sie nachdenklich. »Hmmm . . . das könnte passen . . .«
»Na bitte, hab’ ich es nicht gesagt?«
». . . für die Hengste«, beendete Dzierżka de Wirsing ihren Satz. »In der Liebe komme ich auch so klar. Und das ziemlich gut, auch ohne schwarze Magie.«
»Ich bitte um Schreibutensilien«, sagte Reynevan nach einer Weile. »Ich werde ein Rezept ausstellen.«
Das für Scharley vorgesehene Pferd war der hübsche braune
palefrois,
derselbe, den sie auf der Schneise gefunden hatten. Reynevan, der den Weissagungen der Waldhexen anfangs keinen Glauben hatte schenken wollen, war jetzt mehr als erstaunt. Scharley hingegen sprang auf das Pferd und galoppierte einmal um das Anwesen. Der Demerit bewies ein weiteres Talent – mit sicherer Hand und kräftigen Beinen gelenkt, ging der Braune wie am Schnürchen, hob zierlich die Hufe und richtete Hals und Kopf auf, und an der zwanglosen, eleganten Haltung Scharleys hätte auch der größte Kenner und Meister der Reitkunst nichts auszusetzen gehabt. Die Pferdeknechte und die Bewaffneten aus der Eskorte klatschten Beifall. Sogar die beherrschte Dzierżka de Wirsing schnalzte anerkennend mit der Zunge.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass er solch ein guter Reiter ist,« murmelte sie. »In der Tat, es fehlt ihm nicht an Talenten.«
»Stimmt.«
»Du aber, mein Verwandter«, sie drehte sich zu ihm
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