Narrenwinter
Käfer?“
„Bitte, gern!“
Köberl schaute zur Küche hin. „Na, dann werd ich halt auch was tun und einmal nachlegen.“ Wie ein träger Kater ging er auf dicken Stricksocken durchs Zimmer, öffnete die Tür des Kachelofens, schaute prüfend in die Glut und warf zwei Scheiter hinein. „Das Haus hat ein Holzservitut, ein Bezugsrecht. Weil die Salinen früher so viel Brennstoff gebraucht haben, sind immer mehr Privatwälder enteignet worden. Und so ein Servitut ist dann als Trostpflaster übrig geblieben. Direkt ein Glück, dass unsere Herrn Habsburger so begeisterte Jäger waren.“
„Wie kommen Sie jetzt darauf?“
„Sonst hätte es einen gnadenlosen Kahlschlag gegeben im ganzen Salzkammergut. Aber es war eben beides begehrt: das Geld aus der Salzwirtschaft und das Wild im Wald.“
„Werden die Wilderer hierzulande auch ihre Freude gehabt haben.“
„Natürlich. Aber das war eine gefährliche Sache damals, nicht zu vergleichen mit heute. Unter Maria Theresia war die Strafe dafür lebenslängliche Verbannung und Zwangsarbeit.“
„Die gute alte Zeit! Was ich noch sagen wollte, Herr Köberl: Ich bin tief in Ihrer Schuld, wirklich!“
„Wenigstens einer. Sonst kenn ich’s eher umgekehrt.“
„Ich würde sehr gerne etwas für Sie tun …, das Mindeste wäre zum Beispiel die publizistische Unterstützung für ein neues Buch von Ihnen. Es soll ja eins kommen, diesmal über das gesamte Salzkammergut. Hab ich in der Alpenpost gelesen.“
„Dann weiß die Alpenpost mehr als ich.“
„Also kein Buch? Ewig schade! Wo ist das Problem?“
„Sitzt Ihnen gegenüber, Herr Käfer. Reden wir über was anderes, wenn’s leicht geht?“
„Klar.“
Käfer wusste aber nicht recht, was er sagen sollte, und Köberl wusste offenbar nicht recht, ob er etwas sagen sollte. Das Schweigen zwischen den beiden wurde zusehends unbehaglich.
„So, der Kaffee. Und Krapfen. Fasten ist ja gut und recht, aber man kann auch übertreiben.“ Frau Köberl schaute ihrem Mann und dann ihrem Gast ins Gesicht. „Ist was mit euch?“
Beide schüttelten die Köpfe und griffen nach den Kaffeetassen. Käfer schaute zum Fenster hin. „Es schneit wieder.“ Sein Gegenüber grinste. „Übers Wetter redet sichs immer noch am Leichtesten. Ich mag ihn ja, den Schnee, aber schön langsam hab ich auch genug davon. Was steht denn auf dem Stundenplan, morgen?“
„Keine Ahnung. Aber was die nächsten paar Minuten angeht, weiß ich Bescheid. Ich müsst nämlich dringend wo hin …“
„Im Vorzimmer rechts, mit dem grünen Herz auf der Tür. Schließlich sind wir hier in der Steiermark, na ja, irgendwie, wenigstens.“
„Haben S’ alles gefunden, Herr Käfer?“
„Hab ich. Sagen Sie einmal, Herr Köberl, das Bild auf dem Klo … ein Herzmanovsky-Orlando?“
„Gut beobachtet.“
„Aber bestimmt ein Kunstdruck?“
„Nein.“
„Sie wollen mir doch nicht einreden, dass dort ein Original hängt?“
„Warum nicht?“
Christine Köberl berührte leichthin eine Hand ihres Mannes. „Das ist echt, das Bild. Heißt übrigens
Befruchtung durch das Ohr
.“
„Christine!“
„Weil’s wahr ist. Und auf dem Klo hängt es, weil der Sepp den Herzmanovsky nicht mag und seine Sachen erst recht nicht.“
„So kannst du das auch wieder nicht sagen.“
„Wie sonst?“
„Das ist alles sehr kompliziert.“
„An dir ist ein Bundeskanzler verloren gegangen, Sepp.“
„Red nur, Christine. Aber es ist nun einmal so: Bis heute kennt sich mit diesem Menschen kaum einer aus.“
„Muss ich mich auskennen, bei einem Künstler?“
„Hast ja recht, wie immer und überall. Aber ich seh schon, Herr Käfer, Sie werden mehr wissen wollen. Bin gleich wieder da, ich hol nur was aus dem Schuhschachtel-Archiv.“
„So. Budapester, ungarischer Leisten, Größe 41. Da liegt er drin, der Meister, soll heißen, alles, was ich hab über ihn.“
„Es hat doch einen Salzkammergut-Bezug gegeben, oder irre ich mich?“
„Aber nein, Herr Käfer. Das fängt mit den Eltern und ihrer Sommerfrische an, erst in Altaussee und St. Wolfgang. Damals war noch die Lokalbahn zwischen Ischl und Salzburg unterwegs. Herzmanovsky schreibt in seinen Lebenserinnerungen, dass
den Zügen immer Dackel nachlaufen
. Mit Altaussee war die Verbindung dann intensiver. Kennen Sie die Villa Kerry?“
„Nein. Nur den Namen habe ich irgendwann gehört. Eine Künstlerin, glaub ich.“
„Da reden Sie von der Christine Kerry. Ihre Eltern waren mit den Herzmanovskys befreundet.
Weitere Kostenlose Bücher