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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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1900 hat man die Altausseer Sommerfrische in bester Nachbarschaft verbracht. Und die Tochter ist später als Künstlerin recht bekannt geworden. Zeichnungen von der Christl Kerry finden sich fast in jedem besseren Ausseer Haushalt. Und ihre Villa ist 1945 zu fragwürdigem Ruhm gelangt, als man im Gemüsegarten einen Nazi-Schatz gefunden hat: Auf einem Hügel ist da ein Holzbrett in der Erde gesteckt, auf dem
Petersilie
zu lesen war. Darunter wurden zwei schwere Eisenkassetten gefunden, gefüllt mit 75 Kilo Goldbarren und 19.200 Goldmünzen. Herzmanovsky war dann noch einmal in der Villa Kerry zu Gast – ja, da steht’s … 1949. Es hat damals sogar ein kleines Filmprojekt gegeben – jagende Falotten verleiten ein schönes englisches Mädel zum Wildern.“
    Frau Köberl lächelte, vielleicht noch ein wenig schmäler, noch ein wenig schärfer als sonst. „Bemerken Sie, Herr Käfer, wie sich mein Mann bemüht, dem Thema Ebensee auszuweichen?“
    „Ja? Tut er das?“
    „Tut er natürlich nicht.“ Sepp Köberl seufzte. „Manchmal kommt mir meine Frau vor wie ein exterritoriales Ebenseer Hoheitsgebiet im nur halbwegs befreundeten Ausland. Aber bedenke, liebes Weib, dass der geografische Mittelpunkt von Österreich in Bad Aussee zu finden ist.“
    „Wenn man nur lang genug sucht, ja. Aber für das gute alte Salzkammergut, mein Bester, war der wichtigste Vermessungspunkt die Marktanne in Ebensee.“
    „Auch recht. Jedenfalls hat sich die Familie Herzmanovsky dort schon 1903 eingenistet – in der Villa Almfried. Und dein verehrtes Genie hat dann durch Jahrzehnte die Sommermonate in Ebensee verbracht. Anfangs war er begeistert, dann war’s ihm zu nass und zu kalt, und eines Tages hat er an seinen Freund Kubin geschrieben:
Denk dir, unsere Gegend ist so dummheitsgeschwängert, dass sehr sensitive Leute diese auch als eine Art Käse schneiden könnten
.“
    „Ja, Sepp, weil die Ebenseer Salinenarbeiter gemeint haben, dass Schnellzüge an ihrem Bahnhof erst gar nicht stehen bleiben sollen, weil sie für ihresgleichen sowieso zu teuer wären.“
    „Und auf die spendablen Sommergäste ist fröhlich gepfiffen worden, wie? Denk nur an die Familie Mendelssohn, Christine. Die hat viel für Ebensee getan.“
    „Trotzdem imponiert mir ein proletarisches Selbstbewusstsein.“
    „Meinetwegen. Was tut man mit so einer Klassenkämpferin im Haus, Herr Käfer?“
    „Sie gewinnen lassen, Herr Köberl.“
    „Lieber nicht. Das wird noch zur Gewohnheit bei ihr. Aber zurück zum Herzmanovsky. Einerseits hat ihm das Salzkammergut als Schauplatz allernobelster Vertrottelung gefallen, als Refugium monarchischer Gespenster, andererseits war er froh und stolz, dass es ihm ein wahrhaftiger k. k. Minister des Inneren
mit allerhöchster Entschließung
gestattete, den Doppelnamen Herzmanovsky-Orlando zu führen.“
    „Damit hat er den Namen seiner Mutter für die Nachwelt bewahren wollen, Sepp.“
    „Ja, vielleicht auch. Ich weiß halt nicht, ob sie auf das spätere Leben ihres Sohnes besonders stolz gewesen wäre. Sein Berufsleben als Architekt war ja mehr eine Episode.“
    „Weil er krank geworden ist. Die Nieren …“
    „Dafür kann er nichts, hast Recht. Aber seine mystischen Spinnereien …, die waren ein sehr gewolltes Privatvergnügen. In und um Ebensee hat es für ihn nur so gewimmelt von Elfen, Gnomen, Faunen, Trollen und saligen Frauen.“
    „Kommt mir manchmal auch so vor, Sepp. Erst recht im Fasching.“
    „Sehr lustig. Aber dein Herr Künstler ist sehr bald einer ziemlich bedenklichen Person auf den Leim gegangen, dem Jörg Lanz von Liebenfels.“
    Käfer schaute überrascht auf. „Hitlers Ideenlieferant?“
    „Eben der. Kubin hat den Hermanovsky auf dessen Schriften hingewiesen, zum Beispiel …“ Köberl kramte in der Schuhschachtel. „… zum Beispiel:
Theozoologie oder die Kunde von Sodoms-Äfflingen
. Die zwei Spinner sind jedenfalls bald dicke Freunde geworden, nur im Zweiten Weltkrieg haben sie sich aus den Augen verloren. Aber kaum war’s vorbei, wurde mit Feuereifer die alte Rassenlehre unter neuen Vorzeichen fortgeführt. Jetzt waren halt die Nazis und die Kommunisten Sinnbilder des Niederrassigen und Erzfeinde des heroischen Menschen. Dein Herzmanovsky, Christine, war vielleicht kein Bösewicht, aber ein uneinsichtiger Verrückter – und Letztere mag ich noch weniger.“
    „Das war die eine Seite von ihm. Aber mit Frauen ist er doch begabter umgegangen, nicht wahr?“
    „Begabter vielleicht, bestimmt

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