Narrenwinter
vierundzwanzig Minuten für meine gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit. Werden Sie so viel Geduld aufbringen, wonniges Weib?“
„Ich schau sowieso selten auf die Uhr.“
Viele Minuten und viele Gläser später hob Käfer mit matter Gebärde die Hand. „Ich möchte kein Spielverderber sein, aber ich bin sehr müde von der Reise, es waren ja doch ein paar hundert Kilometer. Spricht was dagegen, wenn ich schlafen gehe?“
Mertens grinste unverschämt. „Es spricht einiges dafür, möchte ich sagen.“
Maria Schlömmer schob ein gelbes Kuvert über den Tisch. „Die Faschingsbriefe vom Samstag zum Nachlesen, Daniel.“
„Oh, danke, sehr aufmerksam, Maria! Was ich noch sagen wollte, Herr Mertens, … ich habe Ihnen doch von Kappus & Schaukal erzählt. In den letzten Tagen ist ein erster Text als Denkanregung für Bruno Puntigam entstanden. Würde mich freuen, wenn Sie’s kurz einmal anschauen. Ich gebe mein Notebook in Ihr Zimmer. Können Sie damit umgehen?“
Mertens schaute Käfer mit wässrigen Augen an. „Die Fragestellung ist falsch, lieber junger Freund. Es geht nicht ums Können. Es geht ums Wollen.“
„Und werden Sie wollen?“
„Vielleicht irgendwann, vielleicht aber auch nie. Und für den Rest des Abends ziehe ich es vor, in den Augen meiner geschätzten Gastgeberin zu lesen.“
9
Käfer öffnete möglichst leise die Zimmertür und tastete im Dunkeln nach dem Bett. Er hatte erwartet, Sabine schlafend vorzufinden, doch sie war nicht da. Gut, er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Sie arbeitete fast immer allein und wusste sich zu helfen.
Einmal wurde er wach, als Maria Schlömmer hörbar heiterer Laune versuchte, den freudig grölenden Henning Mertens ins Bett zu bringen, und ein zweites Mal, als Sabine gegen Mitternacht in der Tür stand. „Hallo Daniel. Hast du Erfolg gehabt?“
„Was weiß ich. Mertens schläft sich jedenfalls nebenan seinen Rausch aus. Und du?“
„Viel Arbeit, dürftige Ergebnisse.“
„Wird besser werden.“
„Hoffentlich.“
Sabine schlief noch, als Käfer schon in den Faschingsbriefen las. Er hatte am vergangenen Abend nur mäßig getrunken, trotzdem nahm er den neuen Tag mit einer gewissen Unverbindlichkeit wahr. Er fühlte sich wohl in dieser zögernden Morgendämmerung, Niemandszeit, dem Diktat des Alltags entzogen. Auch das ungehörige Maß an Bosheit, Schadenfreude und Spott in den Faschingsbriefen hatte für ihn mehr mit der Lust am Wortgefecht zu tun als mit dem Wunsch, wirklich zu treffen oder gar zu verletzen. Und dieser Faschingssonntag …, ein heiliger Tag vielleicht, aber bestimmt kein frommer, feierlich ja, aber ganz und gar nicht andachtsvoll.
Käfer unterbrach seine Lektüre und schaute in die weiße Landschaft vor dem Fenster. Wie ein unbeschriebenes Blatt Papier lag sie vor ihm. Mertens … eine Katastrophe, ein banaler Fehlgriff, letztlich doch der ideale Partner? Kappus & Schaukal … stürmische See, Schiffbruch, sicherer Hafen? Und wie es wohl mit ihm privat weiterging, mit neuen Freunden und der nicht mehr ganz so neuen Freundin? Alles war möglich, und das beunruhigte Daniel Käfer keineswegs, im Gegenteil, es ließ ihn freier atmen.
Er las weiter, schmunzelte, unterdrückte ein Lachen, um Sabine nicht aufzuwecken, doch dann stieß er zu seiner Überraschung auf höchst befremdliche Zeilen und Unbehagen stieg in ihm hoch.
„Guten Morgen, Maria!“ Daniel Käfer hatte mit Sabine Kremser in der Küche auf die junge Bäuerin gewartet. Sie kam etwas später als gewöhnlich.
„Schrei bitte nicht so, Daniel.“ Sie griff an ihre Stirn.
„War es denn so schlimm, gestern Abend?“
„Schlimm?“ Sie nahm vorsichtig Platz. „Eine Gaudi war’s wie seit Jahren nicht mehr. Der Henning ist ein Mannsbild, wie’s im Büchl steht. Der haut dich um, da kannst nichts machen.“
„Ah ja? Und per du seid ihr auch schon?“
„So gut wie verlobt. Und jetzt mach ich halt Frühstück, wie ich’s zusammenbring in meinem Zustand.“
„Bleib noch sitzen, Maria. Ich muss dich was lesen lassen. Hier, die zwei Strophen.“
Frau Schlömmer seufzte unwillig, nahm aber dann das Blatt und las halblaut vor.
„Der Köberl Sepp und d’ Christine
sein ganz brave Leit
und gar die Sieglinde
hat’s zur Heiligen nit weit.
Aber d’Muatta und d’Tochta
ham in Ebensee was z’toan
dafür ist der Votta
in Ischl nit aloan.“
Sie blickte auf. „Wenn’s da steht, wird’s auch stimmen.“
„Ja, aber was steckt dahinter?“
„Die, die’s
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