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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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bitte aus? Dann habe ich weniger Hemmungen, diese Ausseer Miniatur-Variante der Eiger Nordwand zu befahren.“
    Puntigam ließ sein schwarzes Ungetüm eine Schneehalde hinaufklettern, die bei Räumarbeiten entstanden war. Er stieg aus. „Und jetzt: Steilhang, Schikane, Mausefalle, Zielhang!“ Er rutschte talwärts. „Bestzeit, Daniel. Habe ich schon erwähnt, dass ich der Größte bin?“
    „Das tust du ununterbrochen, Bruno.“
    „So? Dann übertreibe ich wohl. Sag’s mir einfach, wenn ich nerve, ja?“
    „Nerven ist eins der scheußlichsten Plastikwörter in unserem geistig verarmten Fernsehvorabend-Deutsch, Bruno, bedeutet nichts oder alles und erspart es dem Anwender darüber nachzudenken, was er sagen will.“
    „Famos!“ Puntigam gab Käfer mit der Faust einen Stoß in den Rücken. „Wir streiten! Das befruchtet! Das baut auf, das bringt uns weiter!“
    „Mag sein. Aber ich würde doch ganz gerne einmal zur Sache kommen, ganz ohne Schnörkel und Girlanden.“
    „Das wird früher als du ahnst geschehen, Daniel, und anders als du meinst. Wenn ein Bruno Puntigam Regie führt, hagelt es Pointen. Jetzt lass uns aber einmal Narren unter Narren sein. Himmel! Was für ein Beispiel hundsordinär suggestiver Musik penetriert da mein Ohr?“
    „Der Faschingsmarsch, Bruno.“
    „Waffenscheinpflichtig!“
    „Und weil du von Penetration gesprochen hast …, da fällt mir was ein: Ein hiesiger Lehrer hat ein Herzmanovsky-Original am Klo hängen – Befruchtung durch das Ohr.“
    „Der Mann hat offenbar Geld und Stil, wie schön, wenn eins zum anderen kommt! Aber schau dir das einmal an …“ Puntigam betrachtete eine Gruppe halb nackter Mammutjäger, die versuchte, mit einem gewaltigen Knochen zwei sichtlich amüsierte Polizisten einzuschüchtern. „Das nenne ich Widerstand gegen die Staatsgewalt! War’s gestern auch schon so lustig?“
    „Vermutlich. Ich war den ganzen Tag unterwegs.“
    Puntigam blieb ruckartig stehen, sein Gesicht war ernst geworden. „Willst du damit sagen …?“
    „Ja, einmal Erding und zurück.“
    „Mit welchem Ergebnis?“
    „Mertens hat mich hierher begleitet.“
    „Dir ist also nicht zu helfen, na gut. Wo residiert dein Medien-Tycoon?“
    „Im Stoffen. Dachsteinzimmer.“
    „Ich sehe es irgendwie beschmutzt. Und wo hält er derzeit Hof?“
    „Zuletzt habe ich ihn im Lewandofsky gesehen, gemeinsam mit Eustach Schiller.“
    „Da haben sich die richtigen zwei gefunden. Ein leerer Sack und ein aufgeblasener Immobilien-Heini. Zwischen den beiden natürlich die legendäre Eustach’sche Röhre.“
    „Was ist denn das?“
    „Der Fachbegriff für jene Flasche Champagner, mit deren Hilfe Schiller Bündnisse schließt. Er gewinnt, doch sein lieber Freund und Partner geht vor die Hunde. Na, das kann Mertens wenigstens nicht passieren. Tiefer als tief geht nicht. Was interessiert dich wirklich an diesem Haufen Sondermüll in Menschengestalt? Darf ich Balthasar Gracian zitieren, den auch von dir hoch Geschätzten, wenn ich mich recht erinnere?
Sich nicht an Ertrinkende klammern!
Aber genau das tust du, Daniel!“
    „Schwimmen verlernt man nicht. Und Mertens war Weltklasseschwimmer.“
    „Weil er gedopt war. Weiß man doch.“
    „Eine Intrige.“
    „Freilich. Und der Mond ist aus grünem Käse. Du bist naiv, Daniel, ich muss es leider sagen.“ Puntigam unterbrach, weil sich ihm eine Gruppe auffallend stämmiger Krankenschwestern mit bedrohlich erhobenen Klistieren näherte. „Nichts wie weg von der Straße, Daniel! Hier ist der kollektive Irrsinn ausgebrochen. Kennst du eine ruhige Ecke, wo’s was zu trinken gibt?“
    „Vielleicht die Bar im
Erzherzog Johann
. Aber eine so richtig Maschkera-freie Zone ist das auch nicht, wie ich fürchte.“
    „Probieren wir’s.“
    Puntigam hob sein Weinglas gegen das Licht. „Schau dir diese Farbe an, Daniel. Ein Gold, wie es die Götter lieben, die heiligen Halunken und die wonnigen Sünder. Es geht doch nichts über einen leichten Weißwein nach einem schweren Schock. Nichts für ungut, Daniel, ich wollte dich nicht kränken, und natürlich wünsche ich Henning Mertens, dass er wieder auf die Beine kommt. Er hat mir einmal sehr geholfen, weißt du? Aber wenn ein solcher Koloss stürzt, zerbricht er. Doch wer weiß? Vielleicht gibt es ja wirklich eine Auferstehung – am dritten Tage oder so? Es wäre zwar ein blasphemisches Wunder, wir wollen aber trotzdem darauf anstoßen.“
    „Ein bisschen früh am Tag wie?“
    „Mein Motto war

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