Narrenwinter
es immer, Frauen und Feste so zu feiern, wie sie fallen. Und sobald uns der Dämon Alkohol süße Torheiten ins Ohr flüstert, mischen wir uns wieder unter die Narren. So fallen wir wenigstens nicht ungebührlich auf.“
„Das ist ein Wort, Bruno. Dann also prost!“
Trotz seiner nunmehr wieder heiteren Miene wirkte Puntigam unruhig. Er hatte kaum das Glas halb gelehrt, als er aufstand.
„Ein kleiner Spaziergang noch, Daniel, dann ruft der Ernst des Lebens. Du hast es gut, für dich ist Narretei ja eine berufliche Pflichtübung.“
„Bis Aschermittwoch. Und dann, Bruno, machen wir Nägel mit Köpfen.“
„Gewiss doch.“
„Versprochen?“
„Hand aufs Herz, Blutsbruder! Und lass mich vorerst in Ruhe meine Kreise ziehen. Nur ich bin dein Ansprechpartner bei Kappus & Schaukal, claro? Jeder Anfang ist sensibel, und ich weiß besser, wie ich wen zu nehmen habe.“
„Wie du meinst, sind ja nur noch ein paar Tage. Bis Mittwoch also. Wenn du einverstanden bist, gehn wir ein Stück die Traun entlang Richtung Grundlsee.“
„Das tun wir.“ Bruno blickte um sich. „Die Narrenpopulation hat abgenommen, kaum zu glauben.“
„Ja, eigenartig.“
Als die beiden das Ortsende erreicht hatten, sahen sie, wo die Maschkera nun zu finden waren. Am linken Traunufer waren sie dicht gedrängt am Fuß eines sehr steilen Abhanges versammelt. Käfer und Puntigam gesellten sich dazu. Neben ihnen stand eine der Krankenschwestern von vorhin. Sie deutete mit der Klistierspritze nach oben. Dort war etwas Dunkles im Schnee zu erkennen. „Todesrennrodler“, erklärte die Krankenschwester vergnügt, „hier war früher die Ausseer Sprungschanze.“
Alle schauten gebannt nach oben. Dann setzte sich der schwarze Fleck in Bewegung, wurde schneller und raste endlich in beängstigender Geschwindigkeit talwärts. Zwei rundliche Gestalten mit Fliegerbrillen vor den Augen vollführten wilde Armbewegungen und stießen Juchzer aus. Dann kamen sie an eine Stelle, wo sich ein Weg in den Hang schnitt. Der Schlitten hob ab und gewann an Höhe. Statt sich zurückzulehnen, versuchten die zwei Männer ihre Körper wie Schiflieger in Vorlage zu bringen, die Rodel kippte nach unten, bohrte sich in den Schnee, und auch die zwei Männer prallten verteufelt hart auf die von Schifahrern verfestigte Piste.
„Ja, sind die lebensmüde?“ Erschrocken drängte sich Käfer durch die Menge und rannte auf die regungslosen Körper zu. Er hatte es gleich geahnt und befürchtet: Henning Mertens und Eustach Schiller …
Nach einigen Sekunden bewegte sich Schiller fast unmerklich, dann kehrte auch Mertens ins Leben zurück und warf einen belustigten Blick in die Runde. „Hat mich ein Eisberg gefickt, oder was?“ Schiller stand schwerfällig auf, versuchte sich an einer gezierten Verbeugung, sank aber mit einem Schmerzenslaut zu Boden. Inzwischen war auch Bruno Puntigam herangetreten. „Also ich würde diesen Stunt ein wenig hintergründiger anlegen, Herr Mertens.“
„Ja, Sie.“
„Immer noch der alte Brummbär! Wie geht es denn so beruflich derzeit?“
„Beschissen. Das ist Ihnen bekannt, Herr Puntigam, und Sie fragen nur, weil Sie die Antwort immer wieder gerne hören.“
„Ein haltlose Unterstellung, lieber Sportsfreund! Daniel Käfer hält doch große Stücke auf Sie.“
„Ein Fehler. Und was haben Sie vor mit ihm?“
„Er soll mir helfen, mich ergänzen, herausfordern, mich eines Tages in den Schatten stellen …“
„Ah ja.“ Mertens war aufgestanden und half Eustach Schiller auf die Beine. Dann schaute er sinnend auf Puntigam hinunter, den er um gut einen Kopf überragte. „Als ich Sie damals bei Filsmeyr & Co aus der Schusslinie geholt habe, sind anschließend mir die Kugeln um die Ohren gepfiffen. Und einige davon haben getroffen, in den Rücken, übrigens.“
„Aber doch nicht meine Schuld!“
„Nein?“
„Ich wüsste es zu schätzen, mein gestrauchelter Weggefährte, wenn Sie Ihre Schübe von Realitätsverlust nicht ausgerechnet mir gegenüber auslebten.“ Puntigam setzte eine wirkungsvolle Pause, dann lächelte er und nahm Mertens an den Oberarmen. „Jeden anderen hätte ich hier und jetzt geschlachtet, viergeteilt, ausgebeint, geschnetzelt, faschiert und pulverisiert. Aber nicht einen Mann wie Henning Mertens! Wahre Größe ist nicht klein zu kriegen, echtes Gewicht ist nicht zu verlieren, tief gekerbtes Profil kann keiner verwischen. Sie sind noch immer der Größte, auch wenn Sie Ihr Bestes tun, uns vom Gegenteil zu
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