Narzissen und Chilipralinen - Roman
Talente haben, sondern ihnen eher das Gegenteil vorführen könnte. Ich finde, Basti sollte den Soldaten spielen, der die Entscheidung bereut. Tine mache ich zur Priesterin. Sonja und ich sind weitere Soldaten, die von der fiesen Sorte. Das ist meine Wunschbesetzung, aber ich bin so diplomatisch, ihnen das nicht vor den Latz zu knallen.
»Zuerst müssen wir daraus ein Stück schreiben«, sage ich. »Das lesen wir dann in verteilten Rollen.«
»Und wen liest du?« Tine liegt immer noch auf der Lauer.
»Wir machen das Ganze natürlich ein paar Mal«, sage ich weise, »und entscheiden dann, wer welche Stimme am besten hinkriegt.«
»Wer«, fragt Tine, »entscheidet das denn?«
Ich blicke in Bastis Lächeln, als ich antworte. »Na, wir alle zusammen.«
Ich habe das erhebende Gefühl, dass ich tatsächlich eine Gruppe leiten kann. Cool.
Dass die letzte Entscheidung bei mir liegt, werden sie schon merken, wenn es so weit ist. Vielleicht habe ich ja Glück und wir sind uns in allem einig.
Sonja möchte versuchen, ein Stück daraus zu machen. Sie will es, das sehe ich in ihren Augen, als ich laut darüber nachdenke, wer das übernehmen könnte. Ihr Gesicht strahlt auf und verdüstert sich sofort wieder. Sie wird sich nicht trauen, die Hand auszustrecken und »Ich, ich!« zu schreien.
»Hm«, meint Tine gerade, »wenn ich die Konkordanz und das Bibellexikon zur Hilfe nehme, könnte ich vielleicht ...«
»Sonja?«, frage ich dazwischen. »Wär das was für dich?«
»Ich weiß nicht ...« Sie ist unsicher, aber wer wäre das nicht?
»Mach ruhig«, ermuntere ich sie. »Nachher können wir ja immer noch an den Sätzen herumbasteln.«
Ein Funkeln in ihren Augen. Nein, sie wird nicht wollen, dass wir daran herumbasteln, wenn sie das Stück erst einmal fertig hat. Aber streiten können wir uns dann immer noch. Ich erkläre dieses Treffen für beendet und schaue mich um. Es ist, als würde ich aus einem Traum erwachen, so vertieft war ich in meine Aufgabe. Wie weit sind die anderen? Ich strecke mich und gehe los, nachsehen. Sonja ist an meiner Seite, während Tine und Basti zurückbleiben und leise miteinander reden. Tja, ich bin neugierig, daher würde ich am liebsten stehenbleiben und lauschen, worum es geht, aber das würden sie merken, also lasse ich es. Hier ist auch kein Schrank, in den ich schlüpfen könnte, um Detektiv zu spielen. Mist, was läuft da? Baggert Basti wohl die fromme Tine an? Ist das möglich? Ich werfe einen unauffälligen Blick zurück und versuche einzuschätzen, ob Tine attraktiv ist. Sie nervt mich mit ihren frommen Sprüchen, aber deshalb kann sie in Bastians Augen ja trotzdem unwiderstehlich sein, wer weiß? Tine mit den glatten, zu einem Pferdeschwanz gebundenen dunkelblonden Haaren, dem etwas zu spitzen Gesicht und den dunklen Augenbrauen ...
»Ich glaube, er ist nur wegen ihr in unserer Gruppe«, flüstert Sonja verschwörerisch.
Gegen meinen Willen muss ich kichern. Ja, irgendwie ist Liebe tatsächlich ansteckend. Sonja unterdrückt ein Grinsen.
»Nur geraten«, meint sie. »Aber ist dir nicht aufgefallen, dass er ständig zu ihr rüberguckt?«
Sonja scheint einiges mit meiner Schwester Tabita gemeinsam zu haben. Tabita weiß auch immer alles. Ihr detektivischer Spürsinn ist manchmal echt erschreckend, vor allem, weil sie manchmal mehr über mich weiß als ich selbst. Das ist unheimlich.
Wenn wir schon eine Art Talentshow veranstalten, könnte meine kleine Nervschwester eigentlich ihre Beobachtungsgabe vorführen und so tun, als ob sie hellsehen könnte. »Kommen wir zu Basti, der unsterblich in unsere liebe, bibeltreue Gemeindeschwester Tine verschossen ist ...«
Weil es dann bestimmt einige gibt, die sich nicht erklären können, warum sie so viel weiß, würde man sie achtkant aus der Gemeinde schmeißen und mich und den ahnungslosen Pastor gleich mit. Ich stelle mir gerade vor, wie der Skandal Wellen schlägt, wie es eine Hexenjagd gibt und Tabita hoch und heilig schwört, niemals wieder Vermutungen über andere Leute anzustellen, als Daniel in mein Blickfeld gerät. Alle Gedanken lösen sich auf wie Seifenblasen. Ich lehne mich gegen die Tür und schaue zu, wie er sich über seine Gitarre beugt. Seine Hände bewegen sich sicher, fast zärtlich auf den Saiten. Die Ponyfransen fallen ihm dekorativ über die Augen, während er leise vor sich hinsingt.
»Hey, klasse, ist das von dir?«, fragt Sonja.
Schade, dass sie ihn unterbrochen hat. Er nickt ihr zu, dann schaut er mich an
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