Narzissen und Chilipralinen - Roman
Hopi-Osterabend kneifen?
Mandy macht ein zweifelndes Gesicht. »Ich weiß ja nicht. Ob irgendein Typ es wert ist, dass man sich seinetwegen so verbiegt?«
»Hey, ich verbieg mich doch nicht«, protestiere ich. »Ich geh dort mein ganzes Leben hin. Ich kenne die alle seit zig Jahren.« Was nur ein kleines bisschen übertrieben ist. Aber lange bevor ich Messie wurde, Mandys beste Freundin, war ich schon Vorzeigetochter Miriam.
Sie schüttelt trotzdem den Kopf. »Und was machen wir heute Nachmittag? Oder triffst du dich da auch mit Danniboy? Oder«, ihre Stimme wird eine Spur schärfer, »übst du mit deinen Theaterleuten?«
Ich hätte nicht gedacht, dass auch Mandy eifersüchtig sein könnte. Früher hätte mich das gefreut. Aber es ist bloß ... überflüssig. Ich habe genug Dinge, über die ich nachdenken muss, da kann ich es echt nicht gebrauchen, dass sie auch noch auf mich sauer ist.
»Eigentlich hab ich Daniel versprochen, mit ihm ins Krankenhaus zu gehen und seine Schwester zu besuchen.«
Mandy ist enttäuscht. War ja auch klar. Es ist schwerer, als ich dachte, einen Freund
und
eine beste Freundin zu haben. Immer glaubt irgendwer, zu kurz zu kommen.
»Ich hab Zeit.« Kim sagt es ganz beiläufig, so als wäre es ihr völlig egal, ob Mandy sich mit ihr trifft oder nicht.
Ich schlucke den Ärger hinunter, während die beiden sich verabreden.
Daniel geht vor, rede ich mir ins Gewissen, obwohl ich viel mehr Lust hätte, mit den anderen Mädels was zu unternehmen, als mich dem deprimierenden Anblick kranker Leute auszusetzen. Aber ich hab’s ihm versprochen. Ich kann doch nicht einfach trotzdem zu Mandy fahren und Musik hören und quatschen. Obwohl ... wir könnten zusammen Hausaufgaben machen, wie in alten Zeiten.
Die Versuchung ist ziemlich groß. Fast zu groß, um ihr nicht nachzugeben, vor allem, da ich einen triumphierenden Blick von Kim auffange.
Ein paar Tische weiter sitzt Rosi und wagt ein schüchternes Lächeln. Das gibt mir Mut. Selbst wenn ich Mandy verlieren sollte, sind da noch andere, die mich mögen. Den Zwang, mit jemandem befreundet zu sein, nur weil er oder sie angesagt ist, habe ich abgeworfen, schätze ich.
»Nun, wie läuft’s mit deinem Kreuzritter?«, fragt Kim. Sie kann es nicht lassen, mich zu ärgern.
»Gut«, sage ich kühl. »Warum auch nicht? Nicht jeder glaubt die Scheiße, die du überall rumerzählst.«
»Mann, du warst so besoffen, du konntest kaum geradeaus gehen.«
»Das stimmt«, sagt Mandy. Wieso fällt sie mir in den Rücken, ausgerechnet jetzt? »Du hast ein paar von diesen fiesen Cocktails gekippt, ich war dabei, schon vergessen?«
»Warum hast du mich nicht gewarnt?«
»Warum sollte ich?« Sie zuckt mit den Schultern.
»Na gut. Aber deshalb ist die andere Sache längst nicht wahr. Ich hab mich bloß mit ihm unterhalten.«
»Das sah aber anders aus, als ihr euch beide im Schnee gewälzt habt.«
Mandys Augen werden groß. »Messie! Das hätte ich jetzt echt nicht von dir gedacht. Und ausgerechnet Tom! Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich von ihm fernhalten.« Jetzt ist sie ernsthaft sauer. Tom hat ihr den Laufpass gegeben und nun soll ihn keine andere haben. Wie doof ist das denn? Nicht dass ich ihn will, aber trotzdem.
»Wo hast du ihn eigentlich versteckt?«, fragt Kim.
»Wen?«
»Tom. Er ist nämlich verschwunden, seit dieser Party hat ihn kein Mensch mehr gesehen. Schläft er unter deinem Bett?«
Ich kann nicht so recht fassen, was ich da höre. »Er ist weg? Wie, weg? Seit«, ich rechne kurz nach, »seit zehn Tagen?«
Vielleicht ist er doch betrunken gefahren. Und hatte einen Unfall. Und liegt mitsamt Auto im Straßengraben. Aber dann hätte man ihn doch längst gefunden. Selbst wenn er zu Fuß unterwegs gewesen wäre und in einen Graben gefallen wäre, hätte man ihn mittlerweile aufgespürt, tot oder lebendig. Und falls nicht, hätte es in der Zeitung gestanden, dass ein Schüler vermisst wird, oder nicht?
»Sobald die Schule vorbei ist, taucht er ab. Das sieht ihm eigentlich gar nicht ähnlich.«
»Das ist ja schräg«, sage ich erleichtert. Also keine Leiche im Straßengraben. Wäre echt schade um den schönen Tom gewesen. »Willst du mich besuchen und im Kleiderschrank nachsehen, Kim?«
Die Pause ist zu Ende, die Dogge stürmt ins Klassenzimmer und knallt einen dicken Papierstapel aufs Pult.
Mandy setzt sich neben mich. Auch wenn wir noch weiterreden könnten, würde sie nicht mit mir sprechen. Sie beugt sich über ihr Heft und zeigt
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