Narzissen und Chilipralinen - Roman
Übles.
»Was willst du sieben Wochen lang? Unsere Freundschaft ruhen lassen? Das ist nicht dein Ernst, oder?«
Diesmal springt mir keine Todesanzeige, sondern eine Grabinschrift ins Hirn. »Ruhe sanft. Hier wartet die Liebe von Daniel und Miriam auf die Auferstehung. Nur die Hoffnung stirbt nie.«
Er legt die Hände auf meine Schultern. »Wir können uns natürlich trotzdem treffen und so. Ich dachte nur, es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir ein bisschen Abstand halten ... körperlich, meine ich.« Um seine Worte zu unterstreichen, wird er rot.
»Das dachtest du, ja? Ohne mich zu fragen? Du hast dir das einfach so überlegt und ... und ...«
Die Schulklingel unterbricht mich, bevor mir etwas wirklich Gemeines einfällt, mit dem ich ihm diese unglaubliche Idee heimzahlen kann. Das kann ich ja später noch nachholen. Ich rausche an ihm vorbei. Dann fällt mir ein, dass ich meine Tasche noch am Fahrrad stehen habe und ich kehre zurück, um sie zu holen. Dabei komme ich am Papierkorb vorbei, und ja, ich bin wirklich kurz davor, die Blumen hineinzuschmeißen. Aber dann tue ich es doch nicht. Auch wenn Daniel der weltgrößte Idiot ist, können die armen Narzissen ja nichts dafür.
»Lass uns drüber reden«, fleht er.
Niemand hat mir gesagt, dass es so kompliziert sein könnte, einen Freund zu haben. Es war das, was ich immer wollte. Ich glaube, jedes Mädchen wünscht sich einen Freund. Nicht irgendeinen, sondern so jemanden wie Daniel, der einem selbstgemachte Rosenschokolade schenkt und mit dem man so prima lachen und Unsinn machen kann, der sich verrückte Geschichten ausdenkt und bei dem ich mich so wohl fühle, dass ich dahinschmelze. Aber es ist, als hätte ich in eine Praline gebissen und erlebe eine Überraschung. Sie ist nicht mit Nougat gefüllt, wie ich dachte, sondern mit Chili.
Man weiß nie, was dem anderen so einfällt.
Ich schlucke die Tränen herunter. Nein, ich werde nicht heulen. Nicht jetzt, direkt vor der Schule.
»Hey, viel Spaß beim Unterricht!« Das sind Kim und Mandy, die offenbar beschlossen haben zu schwänzen, denn sie gehen in die falsche Richtung.
»Wo wollt ihr hin?«, frage ich.
»Wir holen uns bloß einen Café Latte«, antwortet Mandy mit einem verschwörerischen Grinsen. »Ohne Koffein halte ich heute keine einzige Stunde durch, und erst recht keine erste.«
»Die kommt sowieso nicht mit«, ätzt Kim. »Unsere brave Pastorentochter würde so was doch nie im Leben tun.«
»Ach, meinst du?«
Mir ist jetzt nicht nach Erdkunde. Wenn mich irgendjemand heute noch zum Lachen bringen kann, ist es Mandy, also schließe ich mich, ohne zu zögern, den beiden an.
Zu einer Trauerfeier gehören schließlich Unmengen von Kaffee, am besten kombiniert mit einem Stück Streuselkuchen. Vielleicht werde ich aus den Blumen einen Kranz flechten. Immer noch besser, als sie in Fetzen zu zerpflücken.
Manchmal sieht man Dinge, die man gar nicht sehen sollte. Die nicht für einen bestimmt sind.
So wie Tom, den ich im Krankenhaus gesehen habe. Und so wünsche ich mir auch, ich hätte nicht mitgekriegt, wie Basti Tine das Valentinsgeschenk überreicht. Schlimm genug, dass ich keins hatte. Die Blumen stehen bei mir im Zimmer in der Vase und blühen frühlingshaft wie sonst was, aber Daniel ist trotzdem im Minus. Wenn ich für die Narzissen, sagen wir, fünf Punkte vergebe, und seine dämliche Verzichtssache minus dreißig Punkte bekommt, ist er mit fünfundzwanzig Minuspunkten trotzdem bei mir durch. Wie konnte er mich bloß mit so was überfallen! Ich bin also deprimiert genug, da möchte ich nicht auch noch Zeuge werden, wie andere verliebt sind.
Ich stehe am Gartenzaun und gehe nicht etwa ins Gemeindehaus rüber, wie meine Eltern glauben, sondern will abwarten, bis alle drinnen sind, um mich unauffällig zu verdünnisieren. Ich bezweifle, ob ich es heute ertragen kann, Daniel zu begegnen.
Da kommt schon Tine, die von ihrer Mutter gebracht wird und gerade aus dem Auto aussteigt. Basti muss irgendwo gewartet haben, denn sobald die Familienkutsche weg ist und Tine, mit gesenktem Kopf, die Hände in den Manteltaschen vergraben, den gepflasterten Weg zum Gemeindehaus einschlägt, schießt er aus irgendeiner Ecke hervor und stellt sich ihr in den Weg. Es wirkt, als sei er der Türsteher einer Disko und würde Tine die Tür vor der Nase zuschlagen, weil sie falsch angezogen ist. Sie erschrickt, soweit ich das von hier beurteilen kann, aber als er ihr etwas hinhält, das in Geschenkpapier
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