Narzissen und Chilipralinen - Roman
sie, und was hat er damit zu tun?
Papa dagegen kehrt mal wieder den Erziehungsberechtigten heraus. »Muss ich mehr wissen?«
»Wir waren bloß auf einer Party«, sage ich, ich lüge schon wieder. »Ist etwas spät geworden. Ich hab Tom bloß einen Kaffee angeboten.« Papa kennt Tom nicht, oder? Vielleicht hat er ihn mal getroffen, nach der Sache damals, und ihm die Hand geschüttelt. Ich weiß es nicht, denn keiner von ihnen hat es je erwähnt. Es könnte also sein, aber vielleicht auch nicht. Vielleicht ist Tom bloß ein Unbekannter, den er plötzlich in der Küche angetroffen hat.
Hinter mir steht Tabita und wartet auf mich, den Umschlag hinter dem Rücken. »Kommst du?«
»Du bist nicht gerade ein Vorbild für deine Schwester«, meint Papa. »Um halb sieben nach Hause zu kommen ... Miriam, das ist völlig indiskutabel. Ich wollte dir vor dem jungen Mann keine Szene machen, aber jetzt sollten wir mal Klartext reden. Du bist erst sechzehn, du kannst nicht die ganze Nacht wegbleiben.«
»In ein paar Tagen werde ich siebzehn. Papa, es sind bloß noch ein paar Tage!«
»Noch dazu in einer Zeit, wo vielleicht ein Mörder frei herumläuft«, fügt er hinzu. »Nächstes Wochenende bist du um halb zwölf zu Hause.«
»Das geht nicht!«, rufe ich entsetzt. »Dann habe ich Geburtstag!« Er erwartet doch nicht, dass ich meine Gäste mit Erdbeerkuchen abfüttere und nach der Tagesschau nach Hause schicke?
»Junge Dame«, sagt Papa streng, »ich geh jetzt noch mal ins Bett. Das solltest du auch tun. Alles andere klären wir dann.«
Ich husche hinter Tabita die Treppe hoch. Sie kommt mit mir in mein Zimmer.
»Mannomann«, flüstert sie. »Dicke Luft, was?«
»Haben sie denn nicht gemerkt, wann du nach Hause gekommen bist?«, frage ich.
»Nö.« Wieso kommt sie eigentlich immer mit allem durch? Dabei ist sie erst zwölf.
Sie tappt über meine Chaoshügel und lässt sich auf mein Bett fallen. Dort schließt sie die Augen und atmet tief durch.
»Ich hab eine Todesangst ausgestanden«, sagt sie.
»Ja«, stimme ich ihr zu.
»Oh Mann, war das aufregend!«
Etwas weniger Aufregung wäre manchmal gar nicht verkehrt.
Sie rollt sich auf die Seite und stützt den Kopf auf ihre Hand. »Weißt du was?«, fragt sie. »In Finns Zimmer. Ich hab’s dir noch gar nicht sagen können.«
Ich warte gespannt.
»Tines Bibel«, sagt sie. »Ich hab danach gesucht. Aber sie war nirgends. Ich habe extra in allen Fächern nachgesehen.«
»Wo hat er sie denn dann?«
»Tja«, meint sie. »Gute Frage.«
Daniel merkte gleich, dass Miriam sich nicht besonders freute, ihn zu sehen. Sie war gerade dabei, sich die Schuhe anzuziehen und wollte offensichtlich irgendwo hin.
»Hast du einen wichtigen Termin?«, fragte er. »Sag nichts. Du musst zum Zahnarzt, deshalb machst du so ein gequältes Gesicht. Soll ich mitkommen und deine Hand halten, während er bohrt?«
Miriam schaute sich um. Ihre Mutter war drinnen zu hören, wie sie laut mit Silas diskutierte, darüber, ob er trotz seines schlechten Benehmens fernsehen durfte oder nicht.
»Gehen wir lieber raus.«
Zu spät. Tabita rannte die Treppe hinunter, ihre Augen leuchteten auf, als sie Daniel sah.
»Du hättest dabei sein sollen!«, schwärmte sie. »Es war so aufregend!«
»Wobei denn?«
»Wir sind bei Finn eingebrochen. Aber das ist geheim«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Schwöre, dass du es für dich behältst!«
Miriam schien im Erdboden versinken zu wollen.
»Das ist ein Scherz, oder?«
»Und woher hat sie dann die Briefe da?«, fragte Tabita und zeigte auf die Tasche, die Miriam über der Schulter trug. »Äußerst verdächtige Briefe.«
Daniel schnappte nach Luft. »Was habt ihr getan? Eingebrochen und Briefe geklaut?«
»Vielen Dank auch!«, zischte Miriam ihre Schwester an. »Du Biest!«
Sie rannte nach draußen und schlug die Tür hinter sich zu.
»Ups«, sagte Tabita. »Ich dachte, du wärst eingeweiht.«
»Dachtest du nicht.«
»Stimmte. Dachte ich nicht.« Sie grinste entschuldigend. »Das ist dafür, dass sie mich nicht mitnehmen will. Heute ist großes Treffen im Park angesagt. Grüßt du Basti von mir?«
»Ja, klar.« Kopfschüttelnd folgte er Miriam in den Garten. Am Zaun wartete sie auf ihn. Schuldbewusst vermied sie seinen Blick.
»Ich wollte es dir selbst sagen. Unterwegs.«
»Sind wir nicht etwas zu alt dafür, Detektiv zu spielen?«, fragte er. Irgendwie verschloss sich sein Geist der Tatsache, dass sie wirklich zu so etwas fähig war. Zu einem
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