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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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wie er zurücklächelt.
    Sonja und Michael?
    Er hat natürlich genug Bibelwissen, um so viele Verse und biblische Anspielungen in seine Briefe einzuflechten.
    »Sonja ist schwanger?«, frage ich das Nächste, was mir einfällt.
    Finn schüttelt den Kopf. »Nein, ist sie nicht. Aber er will es wohl unbedingt glauben, sobald ihr nur etwas schwindelig wird oder sie blass ist. Deshalb wird ihr die Sache ja langsam irgendwie unheimlich und sie hat mich um Rat gefragt.«
    Wir sitzen da wie ... wie vom Blitz getroffen.
    »Bitte«, sagt Finn eindringlich, »behaltet das für euch. Und verurteilt Michael nicht vorschnell, ich gebe zu, diese Briefe klingen vielleicht etwas extrem, aber ich glaube, er macht zurzeit eine schwierige Phase durch. Seitdem er diesen Unfall hatte ...«
    »Was für einen Unfall?«
    »Er hat einen Mann angefahren, habt ihr das nicht mitbekommen? Das sollte keiner wissen, aber wie es halt so ist, er hat seinen Wagen zu uns in die Werkstatt gebracht und da war es ja klar ... Also, urteilt nicht zu hart über ihn. Er ist mit den Nerven fertig und steigert sich so ziemlich in den Gedanken hinein, dass ein Mann einen Sohn braucht, ehe er stirbt.«
    Erst als er »Sohn« sagt, klingelt es bei mir.
    Tom. Toms Vater. Michael hat Toms Vater angefahren? Und hat dann Fahrerflucht begangen?
    Ich kann es nicht glauben. Nicht Michael. Michael würde so etwas nie tun.
    Entsetzt starre ich Finn an. »Du hast es nicht gemeldet?«
    »Ich hatte das Auto schon repariert, als ich den Zeitungsartikel gelesen habe«, meint er. »Was sollte ich denn machen? Michael streitet es ab, und ich will das ja auch Sonja nicht antun, dass ich ihren Verehrer in Schwierigkeiten bringe. Wir sind immerhin verwandt.«
    Er seufzt.
    Mann, fühle ich mich mies. Fast fühle ich mich versucht, ihm alles zu gestehen. Dass wir ihn verdächtigt haben, Tine ermordet zu haben. Wenn ich das geahnt hätte ... nein, ich sage gar nichts. Mir ist irgendwie übel. Ob Tom das ahnt, dass Michael ...? Er mag ihn – jeder mag Michael – und vertraut ihm, obwohl die beiden, soweit ich informiert bin, sich seit unseren Abenteuern vom letzten Herbst nicht mehr begegnet sind. Was würde er jetzt von mir erwarten?
    »Aber ... was unternimmst du denn jetzt?«, fragt Daniel. Er fasst nach meiner Hand und drückt sie. Bestimmt ahnt er, dass ich an Tom denke.
    »Noch nichts«, sagt Finn leise. »Natürlich muss ich Sonja ihre Briefe zurückgeben. Aber bitte, Miriam«, er wendet sich direkt an mich, »lass dir nicht anmerken, dass ich dir ihr Geheimnis verraten habe. Ich habe ihr hoch und heilig geschworen, niemanden einzuweihen. Nicht mal meine Mutter weiß Bescheid. Bitte.«
    Hinter Daniels Stirn arbeitet es. »Aber da muss man doch etwas unternehmen.«
    »Und was?«, fragt Finn. »Das Auto ist repariert. Da gibt es keine Beweise mehr. Dass er mit den Gewissensbissen nicht klar kommt – damit muss so ein Typ wie Michael eigentlich rechnen. Sonja versucht ihm zu helfen, wo sie kann, aber sie ist auch bloß ein Mensch. Ich bete schon seit längerem für die beiden. Irgendwann wird Michael hoffentlich die Kraft finden, sich zu stellen, und dann hört er bestimmt auch auf, sich ihr gegenüber so verkrampft zu verhalten.«
    Er hebt den Blick zur Tür. »Oh, ich glaube, da kommt meine Mutter schon wieder.«
    Wir stehen beide auf und begrüßen Frau Erlmeyer, bevor wir die Wohnung verlassen.
    »Nett, dass ihr euch um ihn kümmert«, flüstert sie mir zu und lächelt.

18.
    Meinen siebzehnten Geburtstag habe ich mir anders vorgestellt. Monatelang habe ich mich auf eine richtige Party gefreut, aus der jetzt nichts wird. Wer würde denn nach all dem noch feiern wollen? Immer noch wirken die letzten Ereignisse nach. Tines Verschwinden. Der Einbruch. Der Besuch bei Finn.
    Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Was ich tun soll. Zu meinem Geburtstag habe ich außer Daniel bloß Sonja und Rosi eingeladen. Ich mag nicht viel reden, deshalb gehen wir alle zusammen ins Kino. Aber von der Handlung bekomme ich kaum etwas mit. Ich dachte, Sonja ist meine Freundin. Warum hat sie mir dann nie erzählt, dass sie mit Michael zusammen ist? War es ihr zu peinlich, zuzugeben, dass sie mit ihm schläft? Wir sind Freundinnen, aber ich habe mich nie mit ihr darüber unterhalten, wie sie über Sex vor der Ehe denkt. Irgendwie dachte ich, weil sie Christin ist, wäre sie selbstverständlich dagegen. Sind Daniel und ich denn weit und breit die Einzigen, die es noch nicht getan haben? Ich würde

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