Naschkatze
spielt.«
Am Treppenabsatz wende ich mich nach links. Und dann betrete ich mein neues Apartment. MEIN Apartment. Das niemand anderer bewohnt. Sauber, in schäbigem Schick möbliert, mit verblichenem rosa Teppichboden und cremefarbenen Tapeten voller Rosen in allen Räumen außer dem Badezimmer, das in schlichtem Beige gekachelt ist. Überall sind die Böden noch schiefer als in Chaz’ Bude. Nur vier Fenster – die beiden Wohnzimmerfenster gehen zur East Seventy-eighth Street hinaus, die Schlafzimmerfenster zu einem dunklen Hof. Und eine Küche – so winzig, dass sich nur eine einzige Person darin aufhalten kann.
Aber die Badewanne ist groß und komfortabel, mit einer glühend heißen Dusche. Und es gibt zwei kleine, dekorative Kamine. Einer, welch ein Wunder, funktioniert sogar.
Wie ich das alles liebe, auch das breite, klumpige Bett, in dem die beiden jungen Henris zweifellos unzähligen unaussprechlichen Aktivitäten gefrönt haben... Diesem ekligen Übel kann ich mit ausreichender Lüftung und neuem Bettzeug von Kmart sicher abhelfen. Außerdem werde ich den winzigen Schwarzweißfernseher mit den Hasenohren durch einen Farbfernseher ersetzen, sobald ich genug Geld gespart habe.
»Eigentlich klingt das nach Luke.« Chaz folgt mir ins Schlafzimmer, wo wir den Kleiderständer an einer Wand aufgebaut haben. »Weißt du, diese Neigung, sich einzureden, alles sei okay.«
»Ja«, stimme ich zu. Vor über einer Woche haben Luke und ich Schluss gemacht – falls das an jenem Abend im Hausflur vor dem Apartment seiner Mutter tatsächlich geschehen ist. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört.
Es tut immer noch weh, und ich will nicht darüber reden.
Aber anscheinend kann Chaz über nichts anderes reden. Sicher ist das ein kleiner Preis, den ich dafür bezahlen muss, dass er mir beim Umzug hilft. Dafür hat er sich ein Auto von seinen Eltern geliehen. Vermutlich glaubt er, das wäre das Mindeste, was er tun sollte, denn immerhin ist sein bester Freund für mein gebrochenes Herz verantwortlich und die Kanzlei seines Vaters für meine derzeitigen finanziellen Probleme.
Ich habe ihm erklärt, dass die Kündigung sogar vorteilhaft
für mich gewesen war. Wäre das nicht passiert, hätte ich vielleicht niemals die Energie aufgebracht, von meinen »richtigen« Arbeitgebern endlich die Vergünstigungen zu verlangen, die ich verdiene.
Sogar Shari war verblüfft über die »Courage«, die ich plötzlich entwickelt hatte. »Ein mietfreies Apartment und ein Gehalt? Guter Job, Nichols«, lobte sie mich, als ich sie anrief, um ihr die Neuigkeiten zu erzählen.
Wenn man’s recht bedenkt – genau genommen muss ich Shari die Schuld an all dem geben. Sie war mit Chaz zusammen, der uns letzten Sommer in Lukes Château eingeladen hat. Und man könnte auch sagen, Chaz sei dran schuld, weil er Luke verraten hat, wie gern ich Diätcolas trinke. Deshalb hat Luke an jenem Tag im Dorf eine Diät cola für mich gekauft, und wegen dieser aufmerksamen Geste habe ich mich in ihn verliebt.
Und Chaz hat mir den Job bei Pendergast, Loughlin and Flynn verschafft, auf den ich jetzt verzichten muss.
Hätte er Shari und mich nicht nach Frankreich eingeladen, wäre ich Luke nie begegnet. Und hätte er seinem Freund nichts von meinem Faible für Diätcolas erzählt, wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, Luke zu lieben. Und hätte ich mich nicht in ihn verliebt, wäre ich wohl kaum nach New York gezogen. Und wäre ich nicht nach New York gezogen, hätte ich den Job in der Kanzlei von Chaz’ Dad nicht bekommen, Jill niemals kennengelernt und meinen Traum, alte Brautkleider zu stylen, nicht verwirklicht.
Eindeutig, im Grunde ist Chaz an allem schuld – und deshalb sogar verpflichtet, mir beim Umzug zu helfen.
»War’s das?«, fragt er, als ich ihm das letzte Kleid abnehme
und an den Ständer hänge. »Bist du sicher, dass du jetzt alles zusammenhast?«
Selbst wenn was fehlen würde, könnte ich nicht in Lukes Apartment zurückkehren, weil ich dem Pförtner den Schlüssel gegeben habe. Zusammen mit einem kurzen, aber freundlichen Brief. Darin habe ich Luke für meine monatelange Unterkunft gedankt und ihn gebeten, er möge sich bei mir melden, falls er mir meine Post nachschicken und ich noch irgendwelche Rechnungen oder Instandhaltungskosten bezahlen müsste.
Natürlich kann ich nie mehr ins Met gehen. Ich würde es nicht ertragen, ihm zu begegnen. Klar, ich werde die arme Mrs. Erickson vermissen. Auch für sie habe ich einen
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