Naschkatze
Dieses Geschäft habe ich für meine Söhne aufgebaut, und …«
»Die nichts damit zu tun haben wollen«, ergänzt seine Frau in bitterem Französisch. »Das weißt du, Jean. Die faulen Schweine interessieren sich nur für ihre Diskotheken.«
Hmmm... Also sind auch die Söhne Schweine?
»...und ich erledige meine Arbeit selber«, fügt Monsieur Henri in arrogantem Ton hinzu.
»Ja, das stimmt«, schnauft Madame Henri. »Deshalb hast du keine Zeit mehr für mich. Oder für deine Söhne. Nur weil du ständig hier im Laden herumhängst, lassen sie ständig die Sau raus. Und dein Herz? Der Doktor hat gesagt, du müsstest dich endlich schonen. Sonst wird dich der Schlag treffen. Dauernd sagst du, in Zukunft würdest du weniger arbeiten und den Laden zeitweise jemand anderem überlassen, damit wir ein paar Wochen in der Provence verbringen können. Aber tust du’s auch? Natürlich nicht!«
»Ich wohne gleich um die Ecke«, erkläre ich und versuche die beiden nicht merken zu lassen, dass ich jedes
Wort verstanden habe. »Ich könnte herkommen, wann immer Sie mich brauchen. Das heißt – wenn Sie sich um Ihre Familie kümmern möchten.«
Prüfend schaut Madame Henri in meine Augen. »Vielleicht«, murmelt sie in ihrer Muttersprache, »ist sie gar nicht so dumm, wie sie aussieht.«
»Bitte!« Mühsam bekämpfe ich den Impuls, die Frau anzuschreien: Wenn ich so dumm wäre, würde ich dann an der Fifth Avenue wohnen? So etwas darf ich nicht sagen, denn die Leute, die einen nach der Straße beurteilen, in der man wohnt, sind wirklich dumm. »Monsieur Henri, Ihre Kleider sind so wunderschön. Eines Tages möchte ich meinen eigenen Laden eröffnen. Deshalb will ich bei einem Meister seines Fachs in die Lehre gehen. Und ich besitze Referenzen. Rufen Sie doch den Manager des letzten Geschäfts an, in dem ich gearbeitet habe...«
»Non«, fällt Monsieur Henri mir ins Wort. »Non, ich bin nicht interessiert.«
Und dann drückt er mir meine Mappe in die Hand.
»Wer ist denn jetzt dumm?«, faucht seine Ehefrau.
Plötzlich nimmt Monsieur Henris Gesicht mildere Züge an. Vielleicht, weil er die Tränen sieht, die in meinen Augen glänzen… Verrückt! Ich heule! Bei einem Bewerbungsgespräch!
»Mademoiselle...«, beginnt er und legt eine Hand auf meine Schulter. »Nicht, dass ich glauben würde, Sie hätten kein Talent. Aber das hier ist ein sehr kleiner Laden. Und meine Söhne gehen aufs College. Das ist teuer. Ich kann es mir nicht leisten, eine Angestellte zu bezahlen.«
Und dann höre ich drei Worte über meine Lippen kommen. Wie der Speichel im Schlaf. Niemals in tausend Jahren
hätte ich gedacht, ich würde so etwas aussprechen. Und sofort, nachdem ich’s gesagt habe, will ich mich erschießen. Aber es ist zu spät, es lässt sich nicht zurücknehmen.
»Ich arbeite umsonst.«
O Gott! Nein! Was rede ich denn da?
Aber es wirkt. Ganz offensichtlich. Monsieur Henri starrt mich fasziniert an. Und seine Frau lächelt strahlend, als hätte sie soeben in der Lotterie gewonnen.
»Also meinen Sie – ein Praktikum?« Monsieur Henri schiebt seine Brille auf die Nasenspitze hinab, um mich noch genauer zu mustern.
»Oh, ich – ich...« Heiliger Himmel. Wie soll ich mich da herauslavieren? Noch dazu, wo ich nicht einmal sicher bin, ob ich’s will? »Nun – ja. Wenn Sie sehen, wie hart ich arbeite – vielleicht würden Sie mir dann ein Gehalt zahlen.«
Okay, das klingt schon besser. Genau das werde ich tun – ich werde für ihn schuften und mich unentbehrlich machen. Und wenn er nicht mehr ohne mich auskommt, drohe ich ihm damit, dass ich verschwinde, wenn er mich nicht bezahlt.
Keine besonders effektive Strategie, um einen Job zu kriegen. Aber die einzige, die mir im Moment einfällt.
»Abgemacht«, sagt Monsieur Henri, nimmt seine Brille ab und reicht mir die Hand. »Willkommen.«
»Eh...« Ich schiebe meine Hand in seine und spüre die Schwielen an seinen Fingern. »Danke.«
Was Madame Henri veranlasst, in selbstgefälligem Französisch zu bemerken: »Ha! Sie ist doch dumm!«
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Die
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