Naschkatze
Ausbildung umsonst war! Da Dad an dem College arbeitet, das ich besucht habe, gehört es zu den Vergünstigungen dieses Jobs, dass seine Kinder kostenlos studieren dürfen!
Heiliger Himmel! Warum sind wir in Frankreich so gut miteinander ausgekommen? Und wieso haben wir uns jetzt nichts mehr zu sagen?
Warum das so ist, weiß ich sehr gut. Weil sie dachten, ich wäre nur Lukes Sommerflirt. Jetzt merken sie, dass ich viel mehr bin. Und darüber sind sie gar nicht glücklich. Das weiß ich ganz einfach.
»Nach dem langen Flug sind Sie sicher halb verhungert.« Fest entschlossen, nicht in tiefe Verzweiflung zu versinken, springe ich auf. »Ich mache Ihnen was zu essen.«
»Nein, nein«, protestiert Monsieur de Villiers, »heute Abend wollen wir Sie und Jean-Luc ausführen. Wir haben schon einen Tisch reservieren lassen. Nicht wahr, Bibi?«
»O ja«, bestätigt Mrs. de Villiers. »Im Nobu. Sie wissen ja, wie gern Jean-Luc Sushi isst. Deshalb dachten wir, dieses Lokal wäre genau das Richtige für ihn. Wenn man bedenkt, wie hart er an der Universität arbeitet...«
»Allerdings«, stimme ich unglücklich zu. Wenn ich bloß nicht im selben Zimmer mit diesen Leuten wäre... »Eh – vorhin habe ich Käse gekauft. Ich würde gern einen Snack zurechtmachen. Den können Sie essen, während wir auf Luke warten – bevor wir ins Restaurant gehen...«
»Bemühen Sie sich nicht«, fällt mir Monsieur de Villiers ins Wort und winkt lässig ab. »Wir sorgen selber für unsere Snacks.«
Also darf ich nicht einmal ihre Gastgeberin sein. Verständlich – das ja auch nicht mein Apartment.
Trotzdem sollten sie mir’s nicht so grausam unter die Nase reiben.
Das Telefon läutet und reißt mich aus meinen trüben Gedanken. Nicht mein Handy – das Telefon im Apartment, unter Bibi de Villiers Namen registriert. Mit der nur eine einzige Person sprechen will, seit ich hier eingezogen bin.
Der tief enttäuschte Mann, der dauernd Nachrichten für Bibi hinterlässt! Diese Nachrichten, die ich Luke verschwiegen habe.
Und seiner Mutter.
»Eh – wahrscheinlich ist das für Sie, Mrs. de Villiers«, sage ich. »Luke und ich benutzen diesen Anschluss nicht, wir haben unsere Handys.«
Mrs. de Villiers hebt leicht verwirrt, aber sichtlich erfreut die Brauen. »Wer mag das sein?«, fragt sie, steht auf und geht zum Apparat. »Ich habe niemandem erzählt, dass ich nach New York City fliegen würde. Weil ich ungestört einkaufen möchte. Ach, Sie wissen ja, wie das ist...«
Das weiß ich sogar sehr gut. Nichts ist ärgerlicher als Freunde, die einen zum Lunch treffen wollen, wenn man
sich ein ganzes Wochenende fürs Shopping freigehalten hat.
»Hallo?«, meldet sie sich, nachdem sie den Hörer abgenommen und einen Clip von ihrem Ohrläppchen entfernt hat.
Und ich dachte immer, meine Mom wäre die einzige Frau, die mit ungepiercten Ohren herumläuft.
Ich merke sofort, dass es der Typ ist, der die ganze Zeit angerufen hat. Das sehe ich Mrs. de Villiers an – wie erstaunt und glücklich ihr schönes Gesicht aussieht... Au ßerdem registriere ich den raschen, unsicheren Blick, den sie ihrem Mann zuwirft. »O Darling«, flüstert sie, »wie süß von dir, mich anzurufen. Was hast du... O nein, ich war nicht hier... In Frankreich. Und dann wieder in Houston. Ja, natürlich mit Guillaume, du Dummerchen.«
Hmmm. Also weiß der Typ, dass sie verheiratet ist. Was habe ich denn angenommen? Natürlich weiß er’s. Deshalb ruft er nur ihren privaten Anschluss an.
Wow. Unfassbar – Lukes Mom betrügt seinen Dad. Oder sie hat ihn betrogen. Andererseits muss es kein Betrug gewesen sein, denn die beiden wollten sich scheiden lassen. Seit ein paar Monaten sind sie wieder zusammen. Seit dem Sommer. Das verdanken sie mir.
Jetzt, wo der Sommer vorbei und das Leben wieder normal ist – sobald man ein Leben an drei Wohnsitzen (einem Château in Frankreich, einer Villa in Houston und einem Apartment an der Fifth Avenue in Manhattan normal nennen kann) – lautet die große Frage: Wird die erneuerte Liebe überleben?
»Am Freitag? O Darling, das würde ich liebend gern tun. Aber ich will einkaufen gehen. Ja, den ganzen Tag.
Nun – vielleicht wäre es möglich... Oh, du bist so hartnäckig! Nein, nein, das bewundere ich an einem Mann. Also schön. Am Freitag. Bye.«
Oder vielleicht auch nicht.
Mrs. de Villiers legt auf und steckt ihren Clip wieder ans Ohrläppchen. Zufrieden lächelt sie vor sich hin.
»Wer war das, chérie ?«, fragt Lukes
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