Naschkatze
Und vielleicht sein Dad.
Aber seine Mom? Sicher nicht. »Bitte, besuchen Sie uns, Lizzie, es wäre so amüsant.« Doch während sie das sagte, schenkte sie mir ein Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. Um die haben sich keine Fältchen gebildet, und die sieht man nur, wenn sie richtig lächelt.
Nein. Ich weiß, wo ich unerwünscht bin. Nämlich bei der de Villiers-Familienfeier in Frankreich.
Und das ist okay. Wirklich. Total cool. Ich habe erklärt,
ich würde nur übers lange Wochenende freikriegen, nach Hause zu meinen Eltern fliegen und am Montag wieder arbeiten.
Wahrscheinlich habe ich mir Mrs. de Villiers’ erleichtertes Aufatmen nicht eingebildet. Ich glaube, sie ist froh, weil sie ihren Sohn für sich allein haben wird.
Aber sie müsste merken, dass das die Produktion des ersehnten Enkels erschweren dürfte. Denkt sie an andere Kandidatinnen, die keine zwei Jobs haben, wovon einer nicht bezahlt wird und der andere sich nicht für Prahlereien vor ihren Freundinnen eignet? Eine Empfangsdame ist wohl kaum so glamourös wie eine Investmentbankerin oder eine Marktanalystin …
Schon gar nicht am Montag nach Thanksgiving, wo alle Welt einen Scheidungsanwalt braucht. Tiffany sagt, nur in der Woche nach Neujahr geht’s in der Kanzlei noch hektischer zu. Da wollen unzählige Leute heiraten und Eheverträge abschließen.
»Pendergast, Loughlin and Flynn, was kann ich für Sie tun?«, frage ich so oft, dass mein Hals schmerzt und meine Stimme immer heiserer klingt.
Glücklicherweise ist Tiffany frühzeitig erschienen (wie üblich) und bereit, mich für ein paar Minuten zu vertreten, während ich zur Toilette laufe, um Chloraseptic in meine Kehle zu sprühen.
»Übrigens, Raoul kann deine Freundin Shari zu seinem Internisten bringen«, verkündet Tiffany und sinkt in den Drehsessel. »Falls sie immer noch krank ist.«
»Nein, sie ist nicht krank«, sage ich, öffne meine Schublade und nehme meine Meyers-Handtasche heraus – die wegen der vielen Vogue -Ausgaben, die Tiffany unbedingt
aufheben will, kaum hineinpasst. »Shari und Chaz haben Schluss gemacht.«
»Tatsächlich?« Tiffany reißt ihre blauen Augen auf. »Kurz vor deiner Party? Großer Gott, kein Wunder, dass er behauptet hat, sie sei krank. Wie furchtbar peinlich! Also zieht einer von beiden aus diesem Apartment aus? Wer denn? Oh, warum hast du mir das nicht erzählt?«
Weil ich mich bemüht habe, nichts davon zu erwähnen – schon gar nicht vor Leuten wie Tiffany, die womöglich irgendwas zu Chaz’ Vater sagen würden. Nur Luke weiß Bescheid. In letzter Zeit versuche ich ernsthaft, mein Mundwerk in den Griff zu kriegen. Shari hat mich eigens gebeten, niemanden einzuweihen, bevor sie mit Chaz redet. Hoffentlich hat sie’s inzwischen getan. Denn ich weiß nicht, wie lange ich noch schweigen kann, wenn er in der Kanzlei anruft. Manchmal tut er das, um mit seinem Vater zu reden, der einen Rückruf verlangt hat. Dieses heikle Problem und Mrs. de Villiers’ Affäre – ich PLATZE vor Geheimnissen.
Und das treibt mich fast zum Wahnsinn.
»Keine Ahnung«, beantworte ich Tiffanys Frage. »Hör mal, lass mich nur rasch das Zeug in meinen Hals sprühen. Gleich bin ich wieder da...«
Zum Glück hat Tiffany keine Chance, noch etwas zu sagen. In diesem Moment läutet das Telefon, und sie zwitschert: »Pendergast, Loughlin and Flynn. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Die Damentoilette liegt draußen bei den Lifttüren. Um einzutreten, muss man einen Code eintippen. Dadurch wird verhindert, dass Touristen von der Straße reinkommen und die Toiletten der Kanzlei Pendergast, Loughlin
and Flynn benutzen. Eigentlich ist das überflüssig, denn die Sicherheitsbeamten lassen ohnehin nur Leute herein, die einen Termin haben. Ich verstehe wirklich nicht, warum man nur mit einem Code die Damentoiletten aller Büros in diesem Gebäude besuchen kann (auch die Herrentoiletten, da ist das Management nicht sexistisch).
Wie auch immer, es gehört zu den Pflichten der Empfangsdamen von Pendergast, Loughlin and Flynn, den Klienten und Klientinnen diesen Code zu verraten, wenn sie darum gebeten werden. Er ist leicht zu merken: 1 – 2 – 3.
Trotzdem muss man’s manchen Klienten und Klientinnen (und Anwälten) zwei oder sogar drei Mal sagen, bevor sie’s begreifen. Für die Empfangsdamen ist das sehr ärgerlich, was wir natürlich nicht zeigen. Aber ich frage mich immer wieder, warum die Toiletten versperrt sein müssen. Seit ich für Pendergast, Loughlin and Flynn
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