Naschkatze
können.
»Nicht nur ich«, füge ich hastig hinzu. »In New York gibt’s viele Leute, die Ihnen helfen würden. Gehen Sie bloß nicht zu diesem Maurice! Der würde Ihnen ein Vermögen abknöpfen – und nichts dafür bieten. Am besten wenden Sie sich an Monsieur Henri – da arbeite ich. Da benutzen wir keine Chemikalien, wissen Sie, und wir bemühen uns wirklich. Weil’s uns wichtig ist...«
Jill blinzelt mich an. »Oh, es ist Ihnen wichtig?«, fragt sie ungläubig.
»Nun – ja.« Etwas verspätet merke ich, wie meine Tirade geklungen haben muss. Dauernd wird Jill von Leuten bestürmt, die irgendwas von ihr verlangen. Aufdringliche Reporter wollen sie interviewen und fotografieren und der Öffentlichkeit mitteilen, wie sich die Verlobte des reichsten New Yorker Junggesellen fühlt. Sogar ihre geliebten Robben, für die sie sich den Rücken verrenkt hat, sind ständig hinter ihr her und betteln sie um Fische an. Oder was immer die Robben im Central Park Zoo so fressen. »Wie schwierig das alles für Sie ist, weiß ich sehr gut, Miss Higgins. Jeder will was von Ihnen. Seien Sie versichert – das alles erzähle ich Ihnen nicht, um mir irgendwelche Vorteile zu verschaffen. Vintage-Mode – ist mein Leben. Schauen Sie, was ich anhabe.« Ich zeige auf mein Kleid. »Hier sehen
Sie ein langärmeliges Kleid im Kimonostil aus den Sechzigerjahren, vom Designer Alfred Shaheen. Für seine authentischen Südsee-Designs ist er noch viel besser bekannt. Besonders für die Hawaiihemden. Aber er hat auch Stoffe mit der Hand bedruckt, in asiatischen Mustern. Dieses Kleid ist ein fantastisches Beispiel für seine Arbeit. Sehen Sie den breiten Gürtel im Obi-Look? Für mich ist dieser Stil genau richtig, wegen meiner birnenförmigen Figur. Weil ich meine Taille betonen will – und nicht die Hüften. Früher habe ich mal im Secondhandshop Vintage to Vavoom gearbeitet, in Ann Arbor. Da fand ich dieses Kleid in der Mülltonne, und es war in schrecklichem Zustand. Mit einem riesigen Obstfleck. Es war bodenlang – wahrscheinlich für eine Animierdame entworfen. Und um die Titten herum viel zu weit für mich. Ich warf es einfach in einen Topf mit kochendem Wasser, ließ es eine Zeit lang eingeweicht und dann trocknen, schnitt es in Kniehöhe ab und säumte es, flickte die Risse, und – Bingo!«
Anmutig drehe ich eine Pirouette, so wie Tiffany es mir beigebracht hat.
»Da sehen Sie, was daraus geworden ist.« Ich wende mich wieder zu Jill, die mich verblüfft anstarrt. »Was ich damit sagen will – ich kann alte Fetzen in Traumkleider verwandeln. Und wenn Sie wollen, tu ich’s auch für Sie. Stellen Sie sich vor, wie wütend Ihre zukünftige Schwiegermutter wäre, wenn Sie zum Traualtar schreiten – in dem Kleid, das sie Ihnen aufgezwungen hat, und Sie darin besser aussehen als sie bei ihrer eigenen Hochzeit!«
Mutlos schüttelt sie den Kopf. »Das verstehen Sie nicht.«
»Erklären Sie’s mir.«
»Dieses Kleid, das ich tragen soll – es ist so grauenhaft.«
»So wie dieses Alfred Shaheen-Kleid, als ich’s gefunden habe. Mit Obstflecken, bodenlang, obenrum viel zu weit.«
»Nein, es ist viel schlimmer – wie...« Offenbar fehlen ihr die Worte, zögernd hebt sie die Arme, um einen Kreis zu beschreiben. »Mit einem Reifrock. Und – dieses karierte Zeug.«
»Natürlich, der MacDowell-Clantartan.«
»Und es ist mindestens tausend Jahre alt. Es stinkt ganz grässlich. Und es passt mir nicht.«
»Zu groß oder zu klein?«, frage ich.
»Viel zu klein. Da werde ich niemals reinpassen. Und ich habe bereits einen Entschluss gefasst.« Jill wirft ihren Kopf in den Nacken, die blauen Augen glitzern. »Dieses Kleid werde ich nicht tragen. Ich meine – Johns Mutter hasst mich sowieso schon. Was kann mir da noch Schlimmeres passieren?«
»Eigentlich nichts. Haben Sie was anderes?«
»Was denn?« Verständnislos starrt sie mich an.
»Haben Sie ein anderes Kleid gekauft?«
Jill schüttelt den Kopf. »Wann sollte ich denn Zeit dazu haben? Zwischen all den Maniküren? Was glauben Sie denn? Nein, natürlich nicht. Was verstehe ich schon von diesem Zeug? John erzählt mir dauernd, ich soll mich an Vera Wang wenden. Aber jedes Mal, wenn ich in diese Läden gehen will – in diese Designerläden -, kriege ich keine Luft mehr. Und ich habe keine Freundinnen, die sich damit auskennen. Die Leute, mit denen ich zusammenkomme, haben dauernd Affenscheiße an den Schuhen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Was wissen die schon über
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