Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Naschkatze

Titel: Naschkatze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cabot
Vom Netzwerk:
Fest musste ich vorzeitig verlassen, um an Jills Kleid zu arbeiten. Und so verpasste ich den Höhepunkt des Abends: Roberta betrank sich und wurde mit Daryl, dem Experten für Fax- und Kopiergeräte, in der Garderobe beim Sex ertappt. Peinlicherweise von Tiffany, die das Ereignis mit ihrer Digitalkamera festgehalten und die Fotos an uns alle gemailt hat.)
    Als Madame Henri glaubt, nun könnte sie’s riskieren, das Licht einzuschalten, stockt mir der Atem. Denn Jill wird nicht von ihrem loyalen, liebenswerten Verlobten begleitet, sondern von einer älteren Frau, der sie wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Lächelnd macht sie uns mit ihrer Mutter bekannt.
    Sofort verdrängt maßlose Erleichterung mein anfängliches Staunen. Ja. Endlich steht eine verbündete Person an Jills Seite. Außer ihrem künftigen Ehemann und mir, meine ich.
    »Hallo, Lizzie«, grüßt Mrs. Higgins und schüttelt mir genauso herzlich wie ihre Tochter die Hand, als wäre sie sich ihrer Kraft gar nicht bewusst. Und die ist in Jills Fall beträchtlich, sonst könnte sie nicht mit all den bleischweren Robben hantieren. »Freut mich, Sie kennenzulernen.
Jill hat mir so viel von Ihnen erzählt und erklärt, Sie hätten ihr praktisch das Leben gerettet und wären so spendabel gewesen mit... Was hat sie dir gegeben, Schätzchen? Yoodles?«
    »Yodels«, murmelt Jill verlegen. »Tut mir leid, ich habe die Begegnung in der Damentoilette erwähnt...«
    »Oh, das macht nichts«, versichere ich belustigt. »Wenn Sie ein paar Kuchensnacks möchten – ich habe einen Vorrat in der Werkstatt...« Während der ganzen mühseligen Arbeit ist die kohlehydratarme Diät auf der Strecke geblieben. Keine Ahnung, wie viele Pfunde ich zugelegt habe … Aber das interessiert mich auch gar nicht, weil ich wegen des Brautkleids so schrecklich aufgeregt bin.
    Lachend schüttelt Jill den Kopf. »Danke, nein, ich bin okay. Ist das Kleid fertig?«
    »O ja. Gehen wir nach hinten.«
    Und dann führe ich sie in die Werkstatt, während Monsieur Henri ihrer Mutter einen Stuhl und ein Glas Champagner anbietet.
    Mit zitternden Fingern streife ich die üppigen elfenbeinweißen Falten über Jills Kopf und versuche meine Nervosität zu verbergen, indem ich ohne Punkt und Komma plappere. »Also, Jill, diesen Schnitt nennen wir ›Empire-Stil‹. Das heißt, die Taille ist direkt unter den Brüsten – bei Ihnen an der schmalsten Stelle. Der Rock fällt gerade herab und umspielt Ihren Körper. Das wünschen sich die meisten Frauen mit so einer Figur. Diese Empire-Linie verdanken wir Josephine – das war Napoleon Bonapartes Ehefrau, die sich von römischen Togen inspirieren ließ. Die hat sie auf alten Bildern entdeckt. Nun, wie Sie sehen, haben wir die Schulterpartie entfernt, weil Sie so hübsche
Schultern haben, und die wollen wir natürlich zeigen. Und das hier, der Originaltartan, der am alten Kleid hing – den benutzen wir als Schärpe unter Ihrem Busen, damit diese schmale Stelle betont wird, okay? Schließlich die Handschuhe... Ich dachte, sie sollten bis zu den Ellbogen reichen – bis zu diesen baumelnden Bändern. Nun...« Ich dirigiere sie vor den großen Spiegel. »Was meinen Sie? Am besten lassen Sie Ihr Haar hochstecken, mit ein paar Löckchen, die ins Gesicht fallen, das würde zu diesem griechischen Stil passen...«
    Jill starrt ihr Spiegelbild an, und es dauert eine Weile, bis ich merke, dass ihr Schweigen keine Missbilligung ausdrückt. Langsam weiten sich ihre Augen. Dann kämpft sie mit den Tränen. »O Lizzie...«, würgt sie hervor.
    »Finden Sie’s grässlich?«, frage ich voller Angst. »Alle Nähte musste ich auftrennen – nun ja, fast alle. Das war ziemlich mühsam... Jedenfalls glaube ich, dieser Stil steht Ihnen, weil Sie klassische Proportionen haben. Und es gibt nichts Klassischeres als die Form griechischer Amphoren …«
    »Das will ich meiner Mom zeigen«, haucht sie.
    »Okay.« Ich springe hinter Jill und hebe die Schleppe hoch. »Wenn Sie tanzen, wird diese Stoffbahn mit einem Haken am Rücken befestigt, wie eine Turnüre. Die Schleppe soll Ihnen natürlich nicht im Weg sein. Aber ich dachte – damit wirken Sie etwas stattlicher. Weil die St. Patrick’s Cathedral ja so riesig ist und...«
    Doch sie läuft bereits zum vorderen Raum, wo ihre Mutter und die Henris warten.
    »Mom!«, schreit Jill und stürmt zwischen den Vorhängen hindurch in den Laden. »Schau mal!«

    Mrs. Higgins verschluckt sich an ihrem Champagner, und Madame Henri klopft ihr ein

Weitere Kostenlose Bücher