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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Trachtenbälle gearbeitet, um die berühmte Nadel im Heuhaufen oder den Prinzen unter den Fröschen zu finden. Bislang ohne Erfolg, aber mit reichlich Erfahrung.
    »Also, hör mir jetzt mal gut zu, Dotti! Ich werde dir einen exklusiven Einblick in meine geheimen Datingregeln geben. Damit kriegt sogar eine Anfängerin wie du etwas auf die Reihe.«
    Rita schnappt sich eine Serviette, kramt ihren Konturenstift aus der Handtasche und schreibt in Metallic-Rouge-Großbuchstaben:
     
    L wie LOCKEN
    I wie INSZENIEREN
    E wie EROBERT WERDEN
    B wie BITTEN LASSEN
    E wie ERWARTEN KÖNNEN
     
    Ich beuge mich über die Serviette, um den Text entziffern zu können. Aus optischen Gründen hat Rita darauf bestanden, dass meine Brille daheim bleibt. Die ungewohnten Kontaktlinsen lassen meine Augen aber permanent tränen.
    »Wie du siehst, Dotti, führt der Weg zur wahren Liebe über fünf Stationen. Am Anfang steht die Verlockung. Du musst dich so aufbereiten, dass der Mann deine Reize einwandfrei erkennt. Das heißt nicht, dass du sie raushängen lassen sollst wie Kandidatin
Schwarzes-Nichts
da drüben. Sonst wirst du schneller wieder aus seinem Leben verschwinden als du ›Ich komme‹ stöhnen kannst. Fragen?«
    »Nur die eine: Wie bin ich reizvoll, aber keine Reizüberflutung?«
    »Andeuten lautet das Zauberwort. Nimm dir ein Beispiel an mir.« Rita stemmt die Hände in die Hüften und macht den dreifach hochhackigen Klum: eine elegante, vielversprechende, nichts verratende Drehung von der Theke zum Raum. Gewürzt mit einem Schuss Arroganz.
    »Der Rock ist kurz genug, bloß nicht zu kurz; die Manolos machen schlanke Beine, doch ich kann noch damit laufen, und das Top lässt Raum für Phantasie. Alle überzähligen Körperhaare sind entfernt, das Make-up ist dezent, aber effektvoll, und die Frisur fällt auf natürlich schöne Weise.«
    Ich sehe an mir herunter. Zwar gehöre ich generell zu den grazilen Frauen, doch die Verpackung ist bar jeglicher Verlockung. Ich trage meine komfortablen Jeans mit dem vernünftig hohen Bund (Es gibt nichts Schlimmeres als Frauen, bei denen der Tanga über dem Rand der Hüfthosen zum Vorschein kommt!). Weil ich mich leicht erkälte, stecke ich in drei Schichten Rollkragen, meine bequemsten Chucks zieren meine Füße, deren genaues Ebenbild vorwurfsvoll an meiner
Beads
-Uhr prangt. Auf 60916 beziffert der Kompass meine verbleibenden Nichtschäferstündchen bis zum Vierzigsten.
    Mein bestes Attribut, die naturrote Mähne, habe ich achtlos unter eine braune Baskenmütze geschoben. Rita scheint meine Gedanken zu lesen, denn sie stellt nach einem weiteren Schluck ihren Cocktail ab und schnappt sich besagte Mütze. Augenblicklich fällt mir das Haar auf die Schultern, und ein paar Typen, die bisher ins Gespräch vertieft ganz hinten an der Bar gelehnt haben, werfen mir interessierte Blicke zu. Selbst Humphrey Bogarts Hut hebt sich kurz.
    »Siehst du, Dotti, du bist nicht hässlich. Du bist einfach nur überqualifiziert. Jeder Mann könnte sich alle zehn Wurstfinger abschlecken, wenn er eine Partnerin wie dich bekommt, aber wer will schon die perfekte Partnerin? 80 D ist eine Zahl, die Männer fasziniert, nicht IQ 120 . Vernünftige Kleidung ist ein No-Go bei der Anbahnung zwischenmenschlicher Beziehungen. Womit wir beim zweiten Punkt wären: Inszenierung.«
    Rita winkt den Barkeeper heran, schürzt die Lippen, saugt gekonnt an ihrem Strohhalm und legt anschließend, wie zufällig, den Zeigefinger auf sein Handgelenk.
    »Der ist viel besser«, schnurrt sie und schlürft die verbleibende Flüssigkeit aus dem Glas. Der Barkeeper blickt unsicher auf ihre Hand.
    »Wollt ihr noch einen?«
    Ich will abwinken, doch Rita ist schneller. Sie setzt ein perfektes Lady-Di-Lächeln auf.
    »Wenn der wieder so gut wird.«
    Beim Gedanken an weitere Cocktails macht sich meine Blase bemerkbar. Ich muss dringend aufs Klo, habe aber bereits Bedenken, ob ich es schaffe, gerade zu laufen. Der Barkeeper wendet sich mit gerunzelter Stirn ab und wirft geräuschvoll Eiswürfel in den Shaker.
    »Wichtig bei der Inszenierung ist, dass du den Mann die ganze Zeit in dem Glauben lässt, ein extrem toller Hecht zu sein«, flüstert Rita. »Krieg heraus, was er selbst an sich bewundernswert findet, und bewundere ihn dafür. Den Muskelprotz im Fitnessstudio für seine Ausdauer, den knackigen Bassgitarristen für seine Solos, den Drummer für seine Moves und den Bürohengst für seine Geschäftstüchtigkeit. Was immer er kann, finde es

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