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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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sexy!«
    »Sexy Cocktails?«, frage ich ungläubig.
    »Ja, Miss Überqualifiziert, auch Cocktails sind sexy, wenn du den Mann erobern möchtest, der sie produziert.«
    »Ich dachte, der nächste Punkt auf deiner Liste lautet erobert
werden.
«
    »Das Geheimnis des Erobertwerdens besteht darin, den Mann glauben zu lassen, dass er dich erobert.«
    »Sprichst du auch Deutsch?«
    »Ach, Dotti. Siehst du den Typen auf neun Uhr?«
    Ich drehe den Kopf in die entsprechende Richtung.
    »Nicht so auffällig!«
    Rita hebt in ihrer Verzweiflung beide Augenbrauen, was sie sonst wegen der Faltenbildung explizit verweigert.
    »Wie soll ich denn unauffällig schauen?«
    »Schweifiliere.«
    »
Was
soll ich?«
    »Lass deinen Blick über die Menge schweifen, und mach dir so ein Bild von Herrn Neun-Uhr.«
    Ich folge gehorsam der Anweisung. An einem Tischchen mitten im Raum präsentiert ein einzelner Mann in enganliegender schwarzer Lederhose breitbeinig seinen Schatzbeutel und starrt gedankenverloren in ein Bierglas. Sein Friseur scheint in den Sechzigern stecken geblieben zu sein, dafür kommt sein zerknautschtes Gesicht Jahrzehnte aus der Zukunft.
    »Angenommen«, sagt Rita leise, »du hättest Interesse an ihm, wie würdest du vorgehen?«
    »Um Interesse an ihm zu haben, gibt es kein Vorgehen, sondern nur ein Runterkippen.«
    Humphrey Bogart nebenan lacht. Ein warmer Laut, der so gar nicht in die kühle Schickimicki-Bar passen will. Rita wirft ihm einen bösen Blick zu und senkt augenblicklich die Stimme.
    »Nicht ablenken, wir bewegen uns auf einem rein hypothetischen Level. Also?«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Blickkontakt aufnehmen?«
    »Nicht schlecht. Und weiter?«
    »Ihn anlächeln?«
    »Falsch. Wenn du zuerst lächelst, ist die Sache schon gelaufen. Er wird sofort woanders hinschauen und nach einem tiefen Schluck Bier keinen Kontakt mehr suchen.«
    »So ein Schwachsinn.«
    »Bitte, probier es aus.«
    »Sicher nicht.«
    »Hey, ich hab gesagt, dass ich dir nur unter der Bedingung helfe, dass du tust, was ich dir sage. Das war der Deal.«
    »Und was mach ich, wenn Knautschi was von mir will?«
    »Vertrau mir, Dotti.«
    Ich gebe mir einen Ruck und konzentriere mich auf neun Uhr. Tatsächlich hebt Lederhose den Blick und glotzt mich aus nicht mehr ganz klaren Augen an. Widerwillig verziehe ich meine Lippen zu einem verkrampften Lächeln. Der letzte Funke Wachheit verschwindet innerhalb einer Zehntelsekunde aus seinen Pupillen. Mit einem Griff zum Bierglas wendet er sich von mir ab. Wie einen Rettungsanker hält er das Glas umklammert.
    »Faszinierend«, raune ich Rita zu. »Und wie funktioniert das nun mit dem Erobern?«
    »Sieh zu und lerne!«
    Rita lässt ihren Blick gekonnt durchs Lokal
schweifilieren.
Als er Neun-Uhr streift, lässt sie ihn kurz auf ihm ruhen. Lederhose, von derart viel weiblicher Aufmerksamkeit sichtlich überfordert, blickt sich um, um sicherzugehen, dass die Anmache ihm gilt. Rita hält den Blickkontakt, zeigt aber um die Mundwinkel nicht die winzigste Regung. Schließlich zucken Lederhoses Brauen nach oben, und er bleckt die Zähne, was vermutlich ein aufforderndes Lächeln sein soll. Rita wendet sich achtlos ab und nimmt den frischen Cocktail vom Barkeeper in Empfang.
    »Und? Was hast du gelernt?«
    Ich sehe das Unheil aus dem Augenwinkel.
    »Dass neun Uhr manchmal verdammt knapp ist.«
    »Wieso …?« Weiter kommt sie nicht. Das zerknautschte Gesicht taucht zwischen uns auf, und ich spüre die Berührung einer grobschlächtigen Hand im unteren Drittel meines Rückens.
    »Na, die Damen«, haucht Lederhose Biergeruch in den Raum. »Kann ich den Hübschen was Hübsches spendieren?«
    »Nein danke«, sagt Rita und löst sich aus seinem Griff. »Wir sind versorgt.«
    »Hey, willst du mich verarschen? Erst machst du mich an, und dann läuft nichts?«
    Ich deute mit dem Finger auf Punkt vier der Liste. »Sie lässt sich bitten.«
    Er betrachtet mich eindringlich. Hinter seinem Rücken schüttelt Rita heftig den Kopf. Ich ignoriere sie.
    »Hä?«
    »Ich nehme an«, glücklich wedle ich mit der Serviette, worauf Rita mit dem Finger an ihre Stirn klopft, »das soll die Erwartung schüren. Wirklich faszinierend!«
    Neun-Uhr richtet sich zu voller Größe auf, nimmt mir die Serviette aus der Hand, studiert die Lippenstiftbuchstaben, zieht hörbar den Rotz hoch und schneuzt sich schließlich in die Liste. Als er damit fertig ist, knüllt er die Serviette zusammen und lässt sie in meinen Cocktail

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