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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Username erwin 2412 . Als ich ihn fragte, warum er dann bei
Literally in Love
angemeldet ist, meinte er:
Frauen, die lesen, sind nicht so anspruchsvoll und froh, wenn sie einen Mann abkriegen. Sie sind häuslich, gepflegt, treu und geben gute Ehefrauen ab.«
    »Nicht dein Ernst!«
    »Doch, doch. Aber noch besser war der Schönheitschirurg, der mir in seiner Nachricht gleich ein unverbindliches Angebot mitschickte.
Du bist hübsch, icherzählerin, nichtsdestotrotz könntest du schöner werden. Ruf mich an, dein doktorwo.
«
    Stella lacht schallend, was bei ihrer Figur immer dazu führt, dass ihr Busen mit ihrem Kinn um die Wette wackelt. Das dunkle, lockige Haar umrahmt ihre Apfelbäckchen, und selbst die Nase zittert mit. Das Geräusch, das sie dabei macht, ist ungefähr so weich und vollmundig wie der griechische Süßwein Mavrodaphne. Für mich ist Stella die mit Abstand schönste Frau der Welt. Der Geschäftsmann mustert derweil leicht pikiert ihren Hintern, der die Sitzfläche des zierlichen Holzstuhls komplett ausfüllt.
    Meine Freundin beugt sich über den Tisch, blickt mir verschwörerisch in die Augen und hebt die Brauen.
    »Aber es wird doch auch interessante Nachrichten geben, stimmt’s, oder hab ich recht?«
    Ich zögere. Lorenz’ begeisterter Blick fällt mir ein, als er mir verkündet, dass ich mit einem User neunundneunzig Prozent übereinstimme.
    »Also?«
    Stella schnappt sich ein Gurkenmaki von meinem Teller und schiebt es zwischen ihre vollen Lippen.
    »Er nennt sich djfleming.«
    »Nach der Operndiva Renée Fleming?«
    »Nein, nach der Hauptfigur in
High Fidelity.
«
    »Ausgerechnet Hornby! Hast du nicht mal in einer Rezension geschrieben, Hornbys Helden seien die männlichen Verwandten von Bridget Jones?«
    »
Bridget minus Brüste
habe ich es fomuliert.«
    Stella grinst.
    »Ja, aber das ist lange nicht alles. Er behauptet«, ich senke meine Stimme, »mich zu kennen. Dass ich immer zu große Schuhe kaufe, zum Beispiel. Unser Matchingergebnis liegt bei neunundneunzig Prozent.«
    Stella kaut langsamer und schaut nachdenklich drein.
    »Was?«, frage ich. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass so ein Quatsch wie Seelenverwandtschaft dahintersteckt, oder?«
    »Das hast jetzt du gesagt. Denk nur, Dotti, er könnte der Mann deines Lebens sein.«
    »Blödsinn.«
    »Woher weiß dieser djfleming dann so etwas Privates über dich?«
    »Keine Ahnung. Ich vermute, er ist jemand, den ich kenne und der mich verarscht, aber …«
    »Aber?«
    Ich schiebe den Teller weg und lege die Stäbchen beiseite. Ich bin zu aufgekratzt für Sushi. Seit ich in der Küche vom
Pies & Pages
die erste Radiobotschaft meines Lebens bekommen habe, versucht mein Hirn, jede einzelne Silbe in ihre Bestandteile zu zerlegen, um einen Hinweis darauf zu erhalten, wer hinter djfleming steckt. Es muss ja jemand sein, der wusste, dass ich zumindest Ramy Kareems Sendung verfolgen würde, auch wenn ich sonst so gut wie nie Radio höre.
    »Im Boden ist ein Loch, im Loch ist ein Baum, auf dem Baum ist ein Ast, auf dem Ast ist ein Nest, in dem Nest ist ein Ei, in dem Ei ist ein Vogel. Und das grüne Gras wächst rundherum.«
    Stella sieht mich an, als hätte ich einen Vogel.
    Zur Verdeutlichung meines Standpunkts bewege ich die Hände im Halbkreis um meinen Stuhl und singe leise:
»And the green grass grows all around, all around, and the green grass grows all around.«
    Meine Freundin tippt sich mit ihren Essstäbchen an die Stirn.
    »Hast du was geraucht?«
    »Das ist das Lied.«
    »Welches Lied?«
    »Das Lied, das mir djfleming bei
Wunsch um fünf
bestellt hat. Das ist diese Radiosendung samstags um fünf Uhr, wo Leute irgendwem Grüße und einen Song bestellen können.«
    »Ich dachte, du magst keine Musik?«
    »Ich mag sie auch nicht.«
    »Und warum kennst du dann das Graslied auswendig?«
    Ich seufze.
    »Das ist ein uraltes Kinderlied. Meine Mutter hat es mir immer vorgesungen, als ich klein war. Es ist eines dieser Lieder, wo man sich die Dinge aus den vorigen Versen merken muss. Ziemlich
tricky
zu singen, weil es immer mehr Dinge werden. Es beginnt mit einem Loch im Boden. In dem Loch im Boden ist ein Baum. In dem Loch im Boden ist ein Baum, und an dem Baum ist ein Ast. Na ja, und so weiter halt.«
    »Und dieses Lied kam auf
Radio Wien Eins?
«
    Ich nicke und berichte Stella von der vom Moderator verlesenen Radiobotschaft mit anschließendem Song.
    Hallo, icherzählerin. Finde heraus, was sich unter dem Nest, dem Ast und dem Baum

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