Nasenduscher: Roman (German Edition)
…«
»Juckreiz auf den Schleimhäuten?«
»Ja.«
»Wo? Rachen oder Augen?«
»Beides.«
»Hautreaktionen?«
»Und wie.«
»Nein, kann keine Erkältung sein. Sie haben eine allergische Reaktion. Die Frage ist nur, auf was. Aber das finden wir gleich raus. Dann machen Sie sich bitte erst mal frei.«
Verdammt. Das kann doch gar nicht sein. Ich ziehe mich aus und lege meine Kleider über den Stuhl. Als ich auch mein T-Shirt ablege, nickt Frau Dr. Glombik, tastet zwei, drei Quaddelstellen ab und bedeutet mir, dass sie genug gesehen habe.
»Sie können sich wieder anziehen, Herr Süßemilch.«
»Was, das war’s schon?«
»Ja. Ich kann Ihnen aber auch noch irgendwas aus Ihrer Haut rausschneiden, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Nein, nein … ich dachte nur, weil …«
»War nur ein Witz, Herr Süßemilch.«
Mir ist gerade nicht so nach Witzen zumute. Daher frage ich freiheraus, ob mit mir alles in Ordnung ist.
»Ist das was Schlimmes?«
»Na ja, was heißt schlimm. In der heutigen Zeit kann man einiges dagegen unternehmen.«
Die Begriffe In der heutigen Zeit und einiges dagegen unternehmen bringen mich wieder vor die Tore der Stadt. Dort, wo die Leprakranken verbannt auf ihren Tod warten.
»Habe ich … Lepra?«
»Wie bitte?« Die Ärztin zuckt erstaunt zusammen. »Himmel, nein, Herr Süßemilch. So schlimm ist es nun weiß Gott nicht.«
»Und was ist es dann?«
»Wir machen mal einen Allergietest, um zu schauen, auf was Sie so heftig reagieren.«
»Aber ich habe noch nie Probleme mit Allergien gehabt.«
»Das ist keine Frage des Alters. Zu mir kommen sogar Rentner, die erstmalig in ihrem Leben eine allergische Reaktion auf Blüten und Pollen aufweisen.« Dr. Glombik kritzelt dazu etwas auf einen Zettel und deutet auf eine Verbindungstür. »Gehen Sie schon mal nach nebenan in den Behandlungsraum.«
Etwas verschüchtert ziehe ich mich wieder an und schleiche nach nebenan, wo die Ärztin mir mit einem Kugelschreiber ein Muster auf den Unterarm zeichnet. Zunächst denke ich noch an eine Partie Tic Tac Toe, doch dann pikst sie mit einem spitzen Gegenstand circa zwanzig kleine Risse in meine Haut. In jedem Kästchen eines. Was zunächst wie die morgendliche Arbeit eines Borderliners aussieht, erklärt mir Frau Doktor sogleich mit einer Handvoll Ampullen in der Hand.
»Wir werden nun all diese verschiedenen Tinkturen auf die kleinen Wunden tropfen und schauen, wie Ihre Haut reagiert. Einverstanden, Herr Süßemilch?«
»Einverstanden. Ich denke zwar nicht, dass das irgendwas ergeben wird, aber wenn es Sie beruhigt.«
»Warten wir es ab.« Sie lächelt und kleckst los. »Die Reaktion kann ein paar Minuten dauern. Ich komme dann gleich wieder.«
Dr. Glombik verlässt den Raum. Ich sitze mit Käfigmuster und aufgeschlitzter Haut am Tisch und starre alle paar Sekunden auf meinen durchlöcherten Unterarm.
Lächerlich.
Heuschnupfen.
Ich.
Ich bin auf dem Dorf groß geworden.
Zwischen Streuobstwiesen und dichtem Mischwaldbestand.
Meine ersten zarten Berührungen mit dem weiblichen Geschlecht machte ich im Heuschober von Bauer Karl Kirchhoff. Da gab es zwar körperliche Reaktionen meinerseits, aber die waren sicher nicht allergisch bedingt. Ha, ich doch nicht. Ich schüttele den Kopf und kratze mich am Unterarm.
Ich kratze mich am Unterarm?
Verdammt, ja.
Ich kratze mich am Unterarm.
Es beginnt, höllisch zu jucken. Ich schaue auf die Uhr und sehe, dass bisher nicht einmal zwei Minuten vergangen sind. Doch schon wölbt sich die erste Messstelle wie eine Hubba-Bubba-Kaugummiblase nach oben. Das gibt’s doch nicht, denke ich noch, als sich auch die beiden Kästchen darüber langsam verändern. Erst werden sie rot, dann jucken auch sie, um schließlich pockenartig anzuschwellen.
Nach zehn weiteren Minuten kommt Dr. Glombik wieder zu mir und begutachtet das Resultat. Mittlerweile sieht mein Arm aus wie eine Art Mittelgebirgskette, wobei sich einer der Punkte sogar zu einem veritablen Achttausender aufschwingt.
»Das ist Birke.« Dr. Glombik tippt auf den Mount Everest knapp oberhalb meines Handgelenks. »Der Rest ist Weizen, Hasel, Steinfrüchte und Hausstaub.«
Na super. Da kann ich ja gleich jeden Tag im Bett liegen bleiben. Ich versuche es dennoch mit etwas Galgenhumor.
»Das heißt, ich sollte wohl nicht jeden Tag an einem IKEA -Birkenfurniertisch sitzen und ein Toastbrot mit Nutella und Pfirsichen von einem dreckigen Teller essen, oder?«
»Schön, dass Sie es mit Humor nehmen, Herr
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