Nasenduscher: Roman (German Edition)
die Homepage der Salzgrotte genauer durch. Das klingt nach einem Silberstreif am Horizont, da explizit darauf hingewiesen wird, dass die Sitzungen auch für Heuschnupfenallergiker geeignet sind. Ich reiche Emile sein Handy zurück und verschränke die Hände.
»Na, dann werde ich mal einifahren .«
10
Glück auf!
K eine zwei Stunden später betrete ich die Heil bringende Salzgrotte. Zumindest deren Vorraum, der mich jedoch an ein steinzeitliches Lampengeschäft erinnert. Zahlreiche Salzbrocken wurden hier formschön ausgehöhlt und mit Energiesparlampen bestückt. Diese Kunstwerke kann der gläubige Salzmensch nun käuflich erwerben, um sich auch zu Hause einen Altar aus Salz und Energiesparlampe aufzustellen. Außerdem gibt es noch Salze aus aller Herren Länder, die hier in blumiger Sprache feilgeboten werden.
Da hätten wir zum einen das Alpensalz . Dieses Ursalz wird handselektiert und sehr mineralreich aus dem österreichischen Salzkammergut gewonnen. Hubsi wird’s freuen. Allerdings frage ich mich, welcher Ösi so dämlich sein soll, die einzelnen Salzkristalle in der Größe von Ameisenköpfen mit der Hand zu selektieren? Da sagt mir das Feuersalz doch schon eher zu. Es kommt nicht nur aus biologischem Anbau, sondern beinhaltet sogar Ingwer, Chili, Paprika und Pfeffer. Das klingt beinahe nach dem kompletten Frühstück der Eilhoffs. Mein Favorit ist aber das Rosmarin-Orange-Salz , das mit dem Slogan »Würz dir die Südsee ins Gericht« wirbt. Wobei ich den Text drei Mal fehlerhaft lese und es identifiziere als: »Würz dir die Südsee ins Gesicht.« Das fände ich klasse, und es würde meiner deutschen Allergie-Steckrübe sicherlich guttun. Ich lächle, was die Öko-Tante hinter der Rezeption fälschlicherweise als Frage deutet.
»Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?«
»Nun ja. Ich brauche Luft.«
»Aha.«
»Saubere Luft«, ergänze ich und lehne mich bei der folgenden Erläuterung über den Verkaufstisch, um meinen Worten das nötige Gewicht zu verleihen. »Sehen Sie, ich bin Allergiker.«
»Okay.«
»Wahrscheinlich Heuschnupfen.« Ich verschweige Hubsis These der Viecherlgrippen und bleibe lieber der Pollentheorie treu. »Jedenfalls reagiere ich sehr stark auf diese Pollensachen.«
»Nun, dass das keine Hautirritation oder so was ist, sehe ich auch so.«
»Ach.«
Anscheinend würde man selbst im Blindenheim anhand meiner Krustennase erkennen, dass das Heuschnupfen ist. Und bestimmt stehen auch ganz viele spannende Geschichten in Blindenschrift auf meiner rauen Nase, wenn man sie nur berühren und lesen wollte.
»Wir bieten eine Dreiviertelstunde für 12,50 Euro in unserer Salzgrotte an. Diese fünfundvierzig Minuten entsprechen ungefähr zwei Tagen an der frischen Seeluft.«
Ich erinnere mich an die Aussage meiner Dermatologin: »… oder fahren Sie ans Meer.«
»Okay, das klingt gut.«
12,50 Euro wechseln den Besitzer, und ich bin Inhaber eines Belegs über fünfundvierzig Minuten Atmen. Prima. Mit etwas Glück finde ich hier für eine Dreiviertelstunde sogar etwas Schlaf. Ich traue mich kaum, den Gedanken zuzulassen.
»Es ist gerade noch eine Gruppe drin. Wir beginnen immer zur vollen Stunde. Wenn Sie also noch einen Moment Platz nehmen würden. Ich rufe Sie dann auf.«
»Klasse.«
»Sie können derweil Ihre Sachen ablegen und die Füßlinge anziehen.« Die Dame deutet zu einem Sitzplatz um die Ecke.
Füßlinge?, frage ich mich, bis ich sie in einer Kiste entdecke. Kleine blaue Plastiküberzieher für die Füße wie vor einem OP-Gang. Da ich mir das Ganze sowieso in etwa wie einen Saunagang vorstelle, beginne ich damit, mich zu entkleiden. Ein Handtuch werden sie mir ja hoffentlich noch zur Verfügung stellen. Und Scham ist bei uns Atemkranken ohnehin fehl am Platz. Wir haben andere Probleme. Ja, hier fühle ich mich verstanden.
Wenige Sekunden später sitze ich pudelnackt auf einem Stuhl und habe mir als Schamschutz meinen Pullover über den Schoß gelegt. Gegen die Langeweile blättere ich eine der Salzbroschüren durch, die vor mir auf einem Tisch liegen.
Demnach hat der vor mir liegende Salzraum eine positive Wirkung bei Allergien, Asthma, Bronchitis, Nebenhöhlenentzündung, Kopfschmerz, Müdigkeit, Stress, Akne, Rheuma, Depression und Neurosen. Donnerwetter, denke ich. Und ich hau mir das Zeug immer nur aufs Frühstücksei. Salz hilft ja anscheinend gegen alles. Es fehlen eigentlich nur Senk-, Knick- und Spreizfuß sowie chronische Arbeitsunlust.
Die Tür geht auf,
Weitere Kostenlose Bücher