Nasenduscher: Roman (German Edition)
Anfang vierzig. Ein Paar, das gar nicht so recht zusammenpassen möchte und es dennoch schafft, glücklich zu sein.
Wir haben uns im Pulse verabredet. Ein schwules Bar-Restaurant nahe der Innenstadt, das auch für heterosexuelle Gäste sauleckere Sachen auf der Karte hat.
Ich schiebe meinen Veteranenkörper mit der gebührenden Würde und Vorsicht durch die Tür. Die beiden sitzen bereits an einem der Tische, die sich an der Wand aufreihen, und springen entsetzt auf, als sie mein Guantanamo-Gesicht sehen. Das tut der Soldatenseele gut.
»Ja servus, wia schaust du denn aus?« Hubsi schlägt sich die Hand vor den Mund. »Wia a grupfts Henderl.«
»Alter, hast du Schlägerei gehabt oder was?«, fragt Emile.
An meiner Mimik ließe sich das Leiden Christi ablesen, sollte Jesus nach zweitausendjähriger Abwesenheit von der Erde hierher zurückkehren.
»Schlimmer …« Ich lasse eine Kunstpause verstreichen, um der Erklärung einen noch stärkeren Effekt zu verleihen. »Heuschnupfen«, sage ich schließlich.
»Heuschnupfn? Dös, wos du im Gsicht tragst, is doch ka Heuschnupfn, dös is a Viecherlgrippen!«
»Eine was?«
»A Schweinegrippen oder a Vogerlgrippen oder wia ihr Piefkes dös a immer nennen woit. Es is un blaabt a Viecherlgrippen.«
Schweinegrippe? Vogelgrippe? Zwei weitere Optionen, die ich bisher noch gar nicht bedacht hatte. Vielleicht bin ich ja tatsächlich dem Tod geweiht, und mein Leiden ist dadurch nur noch mehr gerechtfertigt.
»Die Dermatologin hat einen Test gemacht. Ich bin so ziemlich auf alles allergisch, was durch die Gegend zirkuliert. Und das Schlimmste daran: Jetzt geht’s erst richtig los.«
»Fuck, Alter. Du siehst echt scheiße aus.«
»Ja, danke, Emile. Das hatten wir bereits geklärt.«
Es folgt eine kurze Niesorgie, die mit einem kräftigen Schnäuzen ins Taschentuch endet.
»Sorry, Alter. Aber was machst du jetzt damit?«
Die heute besonders tuntige Bedienung mit zu viel Kajal um die Augen kommt an den Tisch, und wir ordern dreimal das Tagesmenü. Um meiner Umwelt zu zeigen, welch eingeschränktes Leben mir von nun an bevorsteht, erfrage ich, ob der abschließende Obstsalat womöglich zu Teilen aus Steinobst besteht. Die Bedienung bejaht. Mein Kopf neigt sich traurig, und ich lehne dankend ab.
»Aber ihr könnt ihn gerne essen. Ist schon okay.«
Wenn wir in einem Western wären, läge ich wohl in einem ausgetrockneten Flussbett. Ich wäre der von einem Pfeil angeschossene Cowboy, der den restlich verbliebenen Siedlern des Trecks selbstlos erklärt, dass sie ihn zurücklassen sollen.
Ohne mich könnt ihr es schaffen. Geht jetzt. Geht.
Dann zählte ich meine letzten sechs Patronen im Colt und würde mich heldenhaft dem anrückenden Indianerstamm entgegenstellen. Die anderen würden mich, ihren Ballast zurücklassen. Doch anstatt mitleidvoller Tränen offeriert mir die Bedienung stattdessen eine Mandelcreme.
Dieses herzlose Miststück.
Ich frage, ob Mandeln nicht zur Gattung der Nüsse zählen, was mir die Bedienung nicht eindeutig widerlegen kann, und ich entscheide, dass ich lieber kein Risiko eingehen möchte. Schließlich sei ich ja Allergiker.
»Dös is ja wirkli deppert. Da konnst ja nix essen, wenn die Nasn drauf reagiert und dane Augen anschwellen wia a Packerl Schwammerln.«
»Ich werde Medikamente nehmen müssen«, sage ich, reibe mir meine roten Augen und fühle den Weltschmerz auf meinen Schultern. »Vielleicht ein Leben lang.«
»Ah, Schmarrn. Da braachst ka Medikamente. In Österreich ham mia dafür Salzbergwerke. Da konnst einifoahrn, und wennsd wieder aussikummst, bist frisch wia a jungs Reh.«
»Das freut mich für euch Österreicher. Nur haben wir hier in Frankfurt relativ wenig Bergwerke, in die ich einifahren könnte.«
»Geh bitte. Sog dös ned.«
»Ja, sorry. Ich weiß, du bist Wiener und kein Österreicher.«
»Na, dös maan i ned.«
»Wie? Du bist doch kein Wiener?«
»Doch, Herrgott sakra. I maan, I hob neulich an Artikel glesn, dass die hier in Frankfurt, direkt in dera Stadt a Salzgrottn aafgmacht hobn.«
»Du verarschst mich?«
»Na, wenn i dirs sog. Dös huift de Leidl. De Kinder wia de Oiden. Und jeder konn wieder richtig durchatmen.«
Und schon zückt Emile sein brandneues iPhone und loggt sich ins Internet ein. Voller Stolz zeigt er mir Sekunden später die Homepage des Unternehmens. Und tatsächlich. Keine zweihundert Meter entfernt wurde tatsächlich eine Salzheilgrotte eröffnet.
»Sixt, hob i doch gsagt.«
Ich lese mir
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