Nasenduscher: Roman (German Edition)
Existenz ihres Sohnes Romeo wissen. So richtig glücklich bin ich jedoch mit keiner der Optionen. Aber wie soll ich auch eine adäquate Antwort finden? Mein Gehirn läuft seit Tagen auf Sparflamme. Ohne Schlaf und Sauerstoff ist das einfach nicht zu bewerkstelligen. Also sage ich es auch genau so.
»Darüber machen wir uns morgen Gedanken. Ich muss einfach etwas Schlaf finden. Ich kann nicht mehr.«
Jana legt ihren Kopf auf meine Schulter und beginnt, mich mit einer Hand im Nacken zu kraulen.
»Du hast recht, Schatz. Und ich habe mich bei dir noch gar nicht richtig bedankt. Es tut mir wirklich leid, dass du nicht schlafen kannst. Und jetzt noch die Sache mit meinem Chef und Romeo. Aber wie gesagt, ich kümmere mich um den Kater. Vielleicht solltest du wenigstens nachts irgendwo außerhalb der Wohnung schlafen, wo du Luft bekommst.«
»Und wo soll das sein? Soll ich für ein paar Tage auf der Quarantänestation im Krankenhaus einchecken?«
Jana lacht. Es folgt ein zärtlicher Kuss. Dann ein weiterer, während sie ihre Beine gekonnt um meine Hüften schlingt und auf meinem Schoß landet. Dabei zuckt ein verführerisches Lächeln um ihren Mund.
»Wenn wir die Sache überstanden haben, fahren wir zusammen irgendwo hin, wo du atmen kannst. Du weißt, ich will schon seit ewigen Zeiten mal nach Kuba. Dann fahren wir dort hin, okay? Da gibt’s bestimmt auch keine Pollen.«
Erstaunlich, dass trotz des Sauerstoffmangels die Blutzufuhr zu meinen primären Geschlechtsteilen noch bestens funktioniert. Dies bleibt auch Jana nicht verborgen, und sie grinst. »Und eins verspreche ich dir. Du wirst diesen Atem dann auch bitter nötig haben. Ich werde dich ganz schön auf Touren bringen.«
»Okay, das klingt allerdings sehr verlockend«, entgegne ich und küsse sie leidenschaftlich. »Die paar Tage bis dahin werde ich irgendwie auch noch überstehen.«
»Und morgen gehst du zum Hautarzt und lässt dir was gegen Heuschnupfen geben.«
»Hautirritation.« Ich packe Jana und trage sie in Richtung Schlafzimmer. »Du meinst gegen meine Hautirritation.«
8
Mein Freund, die Birke
D as Wartezimmer beim Dermatologen ist mit einer wilden Mixtur aus mediterranen Tönen gestrichen und gleicht damit wie ein Paniniabziehbild all den anderen Wartezimmern, die ich von Besuchen bei Zahnärzten oder Augenärzten kenne. Komisch und zugleich traurig, dass alle sich in ihrer Ideenarmut so sehr ähneln. Es sind doch völlig verschiedene Fachrichtungen. Da könnte man schon ein wenig Abwechslung erwarten. Dennoch findet sich überall das gleiche Bild: fünf Zeitschriften in belanglose, gelbe Werbeeinschläge gehüllt, die darauf warten, von genervten Patienten hastig durchgeblättert zu werden. Lesen wird man hier ohnehin nichts. In einem deutschen Wartezimmer wird geblättert, niemals gelesen. Ich jedenfalls habe es noch nie erlebt, mich so sehr in eine Zeitschrift vertieft zu haben, dass ich beim Aufrufen meines Namens abwinkte mit der Erklärung, dass ich erst noch den Artikel zu Ende lesen möchte und man doch bitte schon mal den nächsten Patienten vorlassen solle.
In den beiden unbestuhlten Ecken stehen die obligatorischen zwei Grünpflanzen, die augenscheinlich nur sparsam von der Sprechstundenhilfe mit Wasser versorgt werden. Die Pflanzen sehen so leidend aus, dass man für sie gerne selbst einen Termin bei einem Arzt vereinbaren möchte.
Außer mir befindet sich nur eine junge Mutter mit ihrem kleinen Sohn im Wartezimmer. Dieser stapelt in der unausweichlichen Spielecke wahllos bunte Bauklötze aufeinander. Nebenbei schnieft er alle paar Sekunden seine Rotze zurück in die Nase, bevor der Turm ein ums andere Mal laut scheppernd in sich zusammenfällt.
»Sören«, herrscht ihn seine Mutter an, »spiel doch mal schön.« Dann sinkt ihr Kopf wieder hinter eine der Zeitschriften.
Spiel doch mal schön?
Das sagt sie wirklich.
Spiel doch mal schön.
Als ob Sören nun tatsächlich damit beginnen würde, die bunten Steine zu einem filigranen Aquädukt zusammenzusetzen. Und wie vermutet, dauert es nicht lange, bis der nächste Turm von Pisa unter lautem Poltern auf das Holzparkett prasselt.
»Söö-ren.«
»Hatschi.«
Sörens Mama lächelt mir gequält zu.
»Gesundheit.«
»Danke.«
Ich schnäuze bereits das dritte Taschentuch voll und spüre, wie mein Körper sich immer matter und schlaffer anfühlt. Lange halte ich das nicht mehr durch. Kein Schlaf, keine Luft und keine Aussicht auf Besserung.
In diesem Moment ertönt die Stimme
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