Nasenduscher: Roman (German Edition)
denn vorhin gesagt?«
Sören schmollt und schweigt.
»Sören, was hat Mama dir vorhin gesagt?«
»Dass ich genauso nervig bin wie Papa.«
Mamas Gesichtsfarbe wechselt in eine satte Orangensalzfarbe.
»Äh … nein, davor.«
»Dass ich mich benehmen soll, sonst gibt’s kein Happy Meal bei McDonald’s.«
»Genau. Also, willst du ein Happy Meal?«
Kleinlaut nickt Sören und lässt das restliche Salz aus seinen wurstigen Kinderfingern gleiten.
»Ja.«
»Dann spiel jetzt schön.«
Na bitte. Die Androhung von Fast-Food-Entzug gepaart mit bewährten Ansagen zum Spielverhalten wirken doch immer.
Meinem Schlaf steht nichts mehr im Wege. Guter Gedanke. Jedoch habe ich die Rechnung ohne das Pökelfleisch gemacht. Gerade als ich meinen dritten Versuch des nasenfreien Atmens starte, reißt mich ein mächtiges Schnarchen aus dem Schlaf.
Die Stopfgans.
Okay, jetzt muss ich Farbe bekennen, schließlich handelt es sich hier nicht um ein noch nicht sozialisiertes Kind, sondern einen erwachsenen Mann. Und ich habe 12,50 Euro für ein wenig sauerstoffangereicherten Schlaf bezahlt. Ich richte mich auf, um mich zu beschweren und ihm mächtig den Marsch zu blasen, da bleibt mir mein Marsch im Hals stecken. Denn nicht er, sondern seine zierliche Frau sägt hier im Akkord den Frankfurter Stadtwald nieder.
Shit! Ich kann doch keine alte Frau mit Gehbehinderung anpflaumen.
Und so verharre ich stillschweigend und warte die nächsten dreißig Minuten wie ein chilenischer Grubenarbeiter auf den hellen Lichtschein, der das Ende der Grottenzeit signalisiert.
11
Ein unmoralisches Angebot
D as Licht flackert auf und bringt die Insassen des Salzbergwerks mit dezenter Hintergrundmusik zurück an die Erdoberfläche. Stopfgans reckt sich ebenso entspannt wieder aus dem Schlaf wie seine grunzende Herzdame. Und selbst der schniefende Sören und das Mutterschiff hatten etwas Schlaf gefunden. Nur ich lag die letzten dreißig Minuten glockenwach im Salzpalast und habe kein Auge zubekommen. Ausgerechnet ich, der ein klitzekleines Mützchen voll Schlaf doch so bitter nötig hätte. Die Welt ist ungerecht!
Wir verlassen den Salzraum und begeben uns zur Garderobenecke. Nachdem wir uns die Füßlinge abgestreift haben, greifen die erfahrenen Salzmenschen zu den bereitstehenden Wassergläsern. O ja, Durst habe ich jetzt auch. Und so schütte ich mir den Inhalt mit einem einzigen Zug gierig in den Rachen. Erst nach dem Absetzen erkenne ich, dass natürlich auch dieses Getränk dem Gott des Salzes geweiht ist und aus reinem Salzwasser besteht.
Bäääh!
Sofort würgt es mich, und ich muss mich zusammenreißen, um mich vor den anderen nicht in eine der schönen Salzsteinlampen zu übergeben. Ich atme zwei, drei Mal tief durch und merke, dass ich genau das tatsächlich kann. Das Prinzip des freien Atmens in der Grotte funktioniert also. Wenn man hier nur länger und vor allem allein bleiben könnte. Das bringt mich auf eine Idee. Zumindest ist es einen Versuch wert.
Nachdem die nächste Gruppe die Tür hinter sich geschlossen hat und auch Mama, Sören und das Schnarchkommando den Ort des gemeinschaftlichen Atmens verlassen haben, trete ich erneut vor die Dame an der Rezeption. Hier habe ich wegen meiner überraschenden Nacktheit ohnehin noch etwas gutzumachen. Wir hatten irgendwie keinen guten Start. Schon von Weitem mustert sie mich aus den Augenwinkeln, und ich glaube, Angst in ihrem Gesicht lesen zu können.
»Ich wollte mich noch mal wegen vorhin entschuldigen. Ich bin kein Perverser oder Exhibitionist.«
So ganz scheint sie mir noch nicht zu trauen, doch zumindest bemüht sie sich um ein professionelles Lächeln. Auch wenn sie dazu ihren Kopf immer noch nicht anhebt.
»Okay.«
»Gut. Da wir das nun geklärt haben, hätte ich noch eine Frage.«
Erst jetzt treffen sich unsere Blicke wieder.
»Und die wäre?«
»Wie ich bereits erwähnte, bin ich schwerer Allergiker.«
»Ja, das erwähnten Sie bereits.«
»Mir ist daher sehr daran gelegen, etwas Ruhe und Schlaf zu finden. Ich wollte fragen, ob es vielleicht auch möglich wäre, mal bei Ihnen zu übernachten?«
In einer gefühlten Millisekunde verändert sich ihre Mimik und gleicht nun einem steinernen Kunstwerk. Sie hat mich falsch verstanden, schießt es mir durch den Kopf.
»Sie wollen was bei mir?«
»Ich meine doch nur …«
Ich habe keine Chance. Einmal falsch verstanden – immer falsch verstanden.
»Was denken Sie eigentlich, was ich für eine bin?«
»Aber …«
»Ich
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