Nasenduscher: Roman (German Edition)
karibische Fledermauspisse.
Deck vier ist das am tiefsten liegende, das man als Passagier frei betreten kann. Aus dem Bordshop habe ich mir eine Flasche Cola besorgt, deren Restinhalt ich nach drei großen Schlucken über die Reling schütte. Darüber hinaus habe ich mir einen unglaublich hässlichen Poncho mit dem Konterfei des Schiffs gekauft. Aber das ist egal, er dient einem übergeordneten Zweck. Ich habe nämlich eine Idee. Der Poncho ist aus dickem Zwirn gefertigt und lässt sich zu meiner Zufriedenheit sehr einfach am äußersten Rand auffädeln. So gewinne ich nicht nur eine extrem hässliche, sondern auch eine extrem lange Schnur. Begeistert von meinem Plan knote ich das eine Ende um den Hals der Plastikflasche und lasse sie langsam zum Wasser hinab. Vielleicht kann ich so etwas Salzwasser schöpfen, das ich mir dann pur durch die Nase jagen kann. Vielleicht funktioniert es ja?! Ha, da soll noch einer sagen, diese Merchandisingartikel seien zu nichts zu gebrauchen. Die Flasche setzt schließlich auf dem Wasserspiegel auf und macht leider das, was eine Plastikflasche nach physikalischen Gesetzen eben so macht. Sie schwimmt oben auf dem Wasser und will einfach nicht eintauchen.
Mist! So war das nicht geplant. Ich beginne damit, an der Reling auf und ab zu laufen und dabei kreisende Bewegungen mit der Schnur zu vollführen. Es ist ein kläglicher Versuch, die Physik zu überlisten und so etwas Wasser in die Flasche zu lotsen.
In diesem Moment tritt die holländische Familie zur Disneyparade an. Heute trägt der Sohnemann ein Aladin- T-Shirt, auf dem bereits zwei große Schokoflecken um die Wunderlampe verschmiert sind. Schwesterherz hat sich heute neben einem Softeis in der Hand für ein Beauty-and-the-Beast -Kleidchen entschieden. Klein Aladin kommt sogleich zu mir, um mich auf Holländisch zu fragen, was ich denn dort mache. Zum Glück kann ich die Sprache nicht und hoffe, so um das Gespräch herumzukommen. Doch Papa will den Wissensdurst seines Sprösslings stillen und bietet sich ungefragt als Dolmetscher an.
»Mein Sohn Eddy mag von dich wissen, was du da machst.«
Zugegeben. Als kleiner Junge hätte mich auch interessiert, was ein Blinder mit einer Schnur anstellt, die über Bord hängt.
»Ich äh … angle«, stammle ich. Sogleich übersetzt Papa, und Eddy deutet mit klebrigen Fingern über die Reling auf meine Colaflasche. Erneut folgt eine unverständliche Frage.
»Eddy will wissen, was du da mit der Flasche lecker angeln willst?«
Mensch, könnt ihr mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich muss mir irgendwas ausdenken, damit dieser Naseweis nicht noch zwanzig Fragen stellt. Also ziehe ich den Klugscheißer-Joker.
»Plankton.« Ich betone das Wort, als ob es sich um angereichertes Plutonium handeln würde. »Ich untersuche rund um die Welt die Wasserqualität nach Plankton, das sich durch die subkontinentale Erderwärmung sowie den zyklischen Verlauf des Mondtrabanten umgekehrt proportional vermehrt hat.«
Diesmal dauert die Übersetzung länger. Eddy sieht etwas verwirrt aus, nickt dann aber und widmet seine Aufmerksamkeit nun doch lieber dem Eis seiner Schwester, das er ihr aus der Hand klauen will.
Na bitte, geht doch. Und auch Papa Disney winkt zum Abschied.
»Okay, dann wunsche ich dich noch viel Gluck.«
»Danke.«
Die Disneyparade löst sich auf, und ich widme mich wieder meiner Colaflasche, die sich derweil tatsächlich gefüllt hat. Und zwar mit viel mehr Wasser, als ich wollte. Schnell versuche ich, sie wieder nach oben zu ziehen. Die Schnur spannt und schneidet schmerzhaft in meine Handflächen, dann hebt sich die Flasche aus dem Wasser. Erst nur ein paar Zentimeter, dann einen halben Meter. Meine Nase kann das Meeressalz bereits spüren. Ich ziehe kräftiger. Noch einen Meter. Zwei. Dann reißt die Schnur, und meine Colaflasche fällt klatschend zurück auf die Wasseroberfläche. Enttäuscht ziehe ich den Rest der Schnur ein und gehe mit Romeo ins Restaurant. Ich brauche jetzt was für die Nerven: Mir ist nach einem Softeis.
Ohne Meerwasser, dafür aber mit genügend Softeis, begebe ich mich wieder an die frische Luft. Diesmal auf Deck sieben. Dort werde ich Zeuge einer besonderen Darbietung. Eine Notwasserübung der Crew. Genauer gesagt der philippinischen Crew. Es ist ein einzigartiges Bild voll ungewollter Synchronität. Alle Filipinos besitzen nicht nur die gleiche Frisur, sondern sitzen wie Zwölflinge mit ihren orangefarbenen Rettungswesten im Rettungsboot nebeneinander
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