Nasenduscher: Roman (German Edition)
dachte. Der Menschenknäuel vermischt sich sehr schnell, und niemand weiß mehr, wer wohin gehört. Ich buche für hundertzwanzig US -Dollar eine Dschungeltour samt Höhlenschwimmen. Klingt super und nach einer ganzen Menge birkenfreien Sauerstoffs. Sicherheitshalber checke ich kurz nach Abfahrt unseres Busses, ob sich nicht doch ein bekanntes Gesicht von meinem Schiff unter den Anwesenden tummelt. Tut es nicht. Im Gegenteil. Anhand der einheitlichen Strandtaschen, die von den einzelnen Reedereien ausgegeben wurden, erkenne ich, dass niemand sonst von unserem Schiff mit im Bus sitzt. Entspannt atme ich aus und betrachte ganz ohne schlechtes Gewissen die am Fenster vorbeiziehende Landschaft.
Zunächst geht’s am Friedhof vorbei, der direkt am Straßenrand liegt. Und damit meine ich auch am Straßenrand. Nicht hinter einem Zaun oder wenigstens durch ein Stück Rasen oder Bordstein von der Fahrbahn getrennt. Nein. Der gemeine Belizer pflegt seine Leichen fünfzig Zentimeter neben dem Fahrbahnrand zu verscharren. Das nenne ich mal ewige Ruhe.
Nach vierzig holprigen Minuten ganz ohne Stoßdämpfer biegen wir rechts von der Straße ab. Vorbei an zwei Obstständen und einem Händler mit Kokosnüssen halten wir auf einem großen geteerten Parkplatz mit der Aufschrift Rainforest . Aha, jetzt sind wir also im Regenwald. Das hört sich nicht nur wenig spektakulär an, sondern das ist es auch. Im Spessart sieht’s auch nicht anders aus. Nur tummeln sich dort weniger Touristen um die spärlichen Klohäuschen des Parkplatzes. Ein Guide kommt sogleich auf uns zu und erklärt uns, dass es zunächst per Fuß quer durch den Dschungel geht, bevor wir uns in eine Höhle stürzen dürfen.
Auf dem dreißigminütigen Fußmarsch zeigt sich Belize jedoch noch von seiner dschungelartigen Seite: eine Luftfeuchtigkeit, dass mir die Lungenflügel wie einem Asthmatiker beim Joggen im Palmengarten rasseln, sowie Moskitos, die sich zu Hunderten auf jeden Quadratzentimeter nackte Haut stürzen. Zudem erklärt uns unser Guide, wie man im Dschungel überlebt. Hmm, ich weiß nicht, wie viel davon in Frankfurt seine Anwendung finden wird. Aber man weiß ja nie. Wenn das mit dem Klimawandel so weitergeht, könnte es gut sein, dass ich mal zwischen Dornbusch und Bockenheim an einer vierspurigen Hauptstraße Wasser aus einem Palmblatt pressen muss. Zudem wird uns gezeigt, welche Tiere des Waldes man essen kann – und zack habe ich ’ne Termite im Mund. Sie schmeckt nach Holz, was nachvollziehbar erscheint, wenn man bedenkt, dass Termiten ausschließlich Holz essen.
Als wir endlich angekommen sind, trifft mich beinahe der Schlag. Wir sind wohl nicht die einzige Gruppe, die diesen Trip gebucht hat. Geschätzte acht Milliarden Menschen, mit hauptsächlich weißem oder gar keinem Deckhaar, haben sich um die Lagune im Wald versammelt. Im Wasser warten aufgepumpte Luftschläuche darauf, von den Alten gekapert zu werden. Auch ich lasse mich vorsichtig in das Wasser auf einen der Reifen und im Anschluss hinein in die Höhle gleiten. Die stellt sich nicht nur als riesig, sondern auch als nicht ganz unbewohnt dar. Überall hängen Fledermäuse von den Felswänden. In solchen Situationen überkommen mich seltsamerweise immer blöde Ideen, und so überlege ich für einen Moment, ob ich mal laut in die Hände klatschen soll … lasse es aber.
Stattdessen planschen wir dreißig Minuten durch das Höhlenlabyrinth, und nach Verlassen der Höhle stapfen wir noch mal dreißig Minuten weiter durch den Regenwald. Nett. Aber mehr auch nicht. Erst nachdem wir dem feuchten Nass wieder entstiegen sind, überlege ich, ob ich gerade wirklich hundertzwanzig US -Dollar dafür ausgegeben habe, um gut sechzig Minuten lang in Rentnerexkrementen und Fledermauspisse zu schwimmen. Ja, das habe ich.
32
Eisberg voraus
D a mein Höhlentrip recht früh beendet ist, bin ich weit vor dem Eintreffen der meisten anderen Passagiere wieder zurück an Bord. Wieder erblindet schaue ich als Erstes nach Romeo. Er scheint sich etwas gefangen zu haben, und ich entscheide, dass auch ihm etwas frische Luft guttun dürfte. Trotz seines Spezialeinsatzes zur Vernichtung aller Nasendrogen in unserer Kabine kann ich ihn ja nicht dort verhungern lassen. Außerdem habe ich eine Idee, wie ich vielleicht doch noch an etwas Meersalz für mein Riechorgan kommen kann.
Mit Romeo an der Leine gehe ich an Deck. Niemand außer uns ist zugegen. Wahrscheinlich schwimmt der Rest der Truppe noch immer durch
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