Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
den Tod.«
Saiph hörte ihm nicht mehr zu. Hinter einem Sandhaufen hatte er etwas glitzern gesehen. Ohne sich um Verbas Ermahnung, vorsichtig zu sein, zu kümmern, rannte er hin und blieb erst stehen, als er einen gigantischen Luftkristall erreicht hatte, der sich inmitten der Ebene erhob. Anders als alle anderen, die er im Leben gesehen hatte, war dieser von einem Steinmetz behauen worden, denn es handelte sich um einen Obelisken, dem weder die vergangenen Jahrtausende noch das Wüten des Himmels etwas hatte anhaben können. Die Kanten waren mit einer Art Käfig aus einem ihm unbekannten Metall verstärkt, der den Obelisken gegen Staub und die Elemente zu schützen schien. Der Kristall pulsierte in einem kräftigen Licht, das sich auf die Metallkanten übertrug und sie in regelmäßigen Abständen mit einer karmesinroten Maserung überzog.
Staunend stand Saiph davor, als Verba zu ihm trat.
»Was ist das?«, fragte er.
Zum ersten Mal, seit er ihn kannte, schien auch Verba beeindruckt. »Der Mehertheval …«, murmelte er verzückt. »Ich hätte nie geglaubt, dass er dieser langen, langen Zeit hätte widerstehen können.«
»Warum pulsiert er so?«
»Ich weiß es nicht. Er ist aus normalem Olakite-Kristall gefertigt, und als ich ihn das letzte Mal sah, hat er nicht so geleuchtet. Für die Assyten war dieser Obelisk ein heiliges Monument ihrer Verstorbenen, und nun ist er das Letzte, was an sie erinnert.«
Saiph ging um den Mehertheval herum und spürte eine heilende Kraft von dem Stein ausgehen, die ihn anzog. Ohne lange darüber nachzudenken, nahm er seine Maske ab. Er bekam Luft. Da der nächste Talareth Tausende von Meilen entfernt war, konnten nur geringste Mengen Atemluft zur Verfügung stehen, doch der Obelisk war in der Lage, sie zu sammeln. Er wagte einen weiteren Schritt auf den Mehertheval zu und streckte die Hand aus.
»Nein!«, rief Verba. Doch zu spät. Kaum berührten Saiphs Finger den Kristall, erlosch sein Bewusstsein in grellem Weiß.
Als er wieder erwachte, war immer noch alles in weißes Licht getaucht. Es gab nur dieses Weiß, über und unter ihm und um ihn herum. Saiph hätte nicht sagen können, ob er durch die Luft schwebte oder festen Boden unter den Füßen hatte. Jedenfalls fühlte er sich seinem eigenen Körper völlig entfremdet, so als gehöre er nicht mehr zu ihm. Da zeichnete sich in all dem Weiß eine Gestalt vor ihm ab, so als schäle sie sich aus dem Nichts heraus. Er erkannte einen großen Mann in einem schlichten langen Gewand mit langen Ärmeln. Die Hände, die daraus hervorschauten, hatten jeweils nur drei Finger. Der Mann war kahl, seine Nase platt, sein Mund klein und streng. Gemessen an seinen Gesichtszügen waren seine strahlend blauen Augen riesengroß. Seine Haut hingegen war so dunkel, dass sie fast schwarz wirkte.
Obwohl Saiph nie zuvor ein Wesen wie dieses gesehen hatte, begriff er, wen er da vor sich hatte. »Du bist ein Assyter«, sagte er kaum vernehmlich.
»Ja«, antwortete der Mann lächelnd. »Sei willkommen, Saiph, willkommen im Totenreich.«
Glossar
Abendrotgebirge
Mächtige Gebirgskette, die sich im Westen zwischen dem Reich des Sommers und dem Reich des Frühlings erhebt
Alepha
Hauptstadt des Reichs des Herbstes
Althea
Kleine Mutter des Klosters von Messe
Antiker Krieg
Kriegerischer Konflikt, in dessen Verlauf die Femtiten von den Talariten versklavt wurden
Anyas
Mutter von Saiph, in Folge eines Unfalls verstorben
Aritella
Pflanze aus dem Verbotenen Wald, deren Blätter zur Gewinnung eines Gelees genutzt werden, mit dem das Atmen auch in Gegenden möglich wird, wo weder Talareths noch Luftkristalle zu finden sind
Arnika
Heilerin des Klosters von Messe
Aruna
Königin des Reichs des Sommers
Assys
Land, in dem einst die Assyten lebten
Assys-Barriere
Gebirge, hinter dem, am Namenlosen Ort, das Land Assys liegt
Baumpfade
Verkehrswege in Talaria; sie bestehen aus verflochtenen Talareth-Ästen und bilden die einzigen Verbindungen zwischen allen Ansiedlungen der vier Reiche
Beata
Sagenhafte Stadt in der Wüste, die in den Mythen sowohl der Talariten als auch der Femtiten eine bedeutende Rolle spielt. Für Letztere ist Beata ein Ort des Glücks in der Wüste, an dem die Femtiten noch frei leben können
Bemotha
Städtchen bei einer Eismine im Reich des Winters
Beris
Sklavin im Kloster von Messe
Bleri
Händler, der verbotenerweise Luftkristalle verkauft
Ceryan
Alter Sklave im Kloster von Messe
Cetus
Eine der beiden Sonnen
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