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Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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unschuldig kommen sie zur Welt und bleiben es auch. Dass es Böses gibt, können sie sich noch nicht einmal vorstellen, egal was ihnen geschieht. Manchmal denke ich, dass Grif und ich in verschiedenen Welten leben: Wo ich nur Tod und Verderben um mich herum sehe, erkennt er immer noch etwas Gutes. Verstehst du, was ich meine?«
    Talitha nickte und ihr wurde dabei bewusst, wie sehr sich ihr Bild von Melkise verändert hatte. Auch äußerlich. Sein von Erfahrungen gezeichnetes Gesicht und auch diese Augen kamen ihr fast schön vor, Augen, die so viel gesehen hatten von einer Welt, die grenzenlos war und brutal, und die sie gerade erst kennenzulernen begann.
    Verlegen wandte sie den Blick ab.
    »Du scheinst einen besonderen Einfluss auf mich zu haben, junge Gräfin, irgendwie schaffst du es immer, mich sentimental werden zu lassen«, sagte Melkise.
    »Da muss ich diesen Einfluss wohl häufiger geltend machen«, antwortete sie und errötete wieder und wusste nicht, warum.
    Da riss ein heftiges Trommeln sie aus der Unterhaltung. Beide erhoben sich und traten zur Hüttentür. Draußen regneten schwere Tropfen herab. So standen sie nebeneinander da und schauten hinaus in die Welt, die den nächsten Schritt auf dem Weg ins Chaos machte.

19
    M it gemessenen Bewegungen verteilten sich die Mädchen im Raum. Sie waren Novizinnen, die gerade erst ins Kloster eingetreten waren, hatten aber wohl schon vom Charakter ihrer neuen Lehrerin gehört, denn ruhig und mit gesenkten Blicken traten sie ein. Grele, die auf ihrem breiten Stuhl auf einem Podest im hinteren Teil des Raumes saß, hatte ihren Gefallen daran. Disziplin war ihr wichtiger als alles andere, und sie liebte es, die Wirkung ihrer Autorität auszukosten.
    Eine nach der anderen musterte sie ihre neuen Schülerinnen und schätzte, dass die größte kaum älter als zehn Jahre alt war. Auch das war gut so. Am liebsten arbeitete sie mit Kindern: Sie waren noch sanft und leicht zu lenken, und ihre Maske würde ihnen genügend Furcht einflößen können.
    Sie räusperte sich, und alle blickten sie aufmerksam an.
    »Wie man euch schon mitgeteilt haben wird, bin ich eure neue Religionslehrerin«, sagte sie. »Es liegt an euch, ob wir uns verstehen werden. Was ich von euch erwarte, ist nicht kompliziert: größten Fleiß und höchsten Respekt. Lernt und erweist mir damit die Ehrerbietung, die einer Priesterin meines Ranges gebührt, dann habe ich auch keinen Grund, euch zu bestrafen. Versagt ihr in auch nur einer einzigen eurer Aufgaben, werdet ihr euch in der Kniebank wiederfinden und Gesänge vortragen, anstatt zu Abend zu essen.«
    Ängstliches Schweigen breitete sich im Klassenraum aus.
    »Haben das alle verstanden?«
    »Ja, Schwester«, murmelte ein Mädchen schüchtern.
    »Ich will euch alle hören, klar und deutlich, sonst werden sich eure Stimmen beim Gesangsvortrag erheben, in der Kniebank, bis zum Morgengrauen.«
    »Ja, Schwester«, antworteten die Mädchen im Chor.
    Grele lächelte zufrieden. »Gut. Dann können wir anfangen.«

    Erzieherin zu werden war Megassas Vorschlag gewesen. Er hatte sie dazu überredet, nachdem er vom Militäreinsatz im nördlichen Reich des Winters, mit dem er sich Talitha hatte zurückholen wollen, heimgekehrt war. Die Nachricht vom Scheitern des Unternehmens hatte Grele schon erreicht, bevor der Graf sie ihr persönlich überbrachte. Als ihr der Bote mit zitternder Stimme erklärte, was vorgefallen war, hatte ihr der Zorn fast die Sinne geraubt. Um sich irgendwie Luft zu machen, hatten sie den Mann geschlagen und getreten und dann ihre Kammer verwüstet. Niemand wagte es, ihr deshalb ernsthaft Vorhaltungen zu machen. Angesichts der Tatsache, dass die Ausstattung des Klosters mittlerweile ausschließlich vom Grafen finanziert wurde, wusste die Kleine Mutter nur zu gut, wie wichtig Grele für sie war.
    Grele hätte es vorgezogen, als Kombattantin ihre Kampfkünste noch weiter zu verfeinern. So hätte sie ihre körperliche Leistungsfähigkeit erhalten und gleichzeitig ihren Zorn dä mpfen können, in Erwartung des tödlichen Zweikampfs, in dem sie sich mit Talitha messen würde.
    »Als Erzieherin wirst du dem inneren Kreis angehören, der über die Geschicke des Klosters entscheidet«, hatte Megassa ihr erklärt. »Du wirst an allen Versammlungen der Klosterleitung teilnehmen und bei der Wahl der Kleinen Mutter nicht nur stimmberechtigt sein, sondern auch selbst kandidieren können. Wer Macht erringen will, muss zum richtigen Zeitpunkt am

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