Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
getränkt hatte. Dieser Gedanke rief Saiphs Bild in ihr wach. Wo mochte er bloß sein? Sie hatte seit seinem Aufbruch nichts von ihm gehört. Sie zwang sich, nicht darüber nachzudenken: Wenn sie es schaffen wollte, durfte sie im Augenblick an nichts anderes denken.
»Immerhin kenne ich mich mit dem Tod aus, mit Kampf und Schwertern«, antwortete Melkise, wobei er sich ein wenig aufrichtete und die Hände auf die Knie legte. »Solche Stunden wie diese habe ich schon mehr als genug erlebt. Wenn die Schlacht entbrennt, gibt es kein Gestern und kein Morgen mehr. Nur noch das Hier und Jetzt. Wenn du an etwas anderes denkst, hast du verloren.«
Talitha zog die Knie unter den Fellen zur Brust. Das war also das Wesen des Kampfes: die Aufhebung der Zeit, eine Gegenwart ohne Ende, in der kein Raum war für Gedanken oder Gefühle, sondern nur für die Klingen, die aufeinanderprallten, für die Muskeln, die arbeiteten, für das Blut. Sie legte sich eine Hand auf die Brust und zählte, wie schnell ihr Herz schlug. Dann blickte sie wieder Melkise an und war froh, bei ihm zu sein.
Gerner und die Anführer der anderen Rebellengruppen stießen kurz nach Sonnenaufgang zu ihnen. Es war ein schöner Tag, und durch das Laubwerk der Talareths hindurch ließ sich erahnen, dass der Himmel ungeheuer klar war. Die wenigen Strahlen, die bis zur Erde gelangten, waren warm und erinnerten Talitha an die angenehm lauen Temperaturen im Reich des Frühlings. Aber auch das zeigte wieder, wie zerstörerisch Cetus wirkte.
Denk nicht daran, konzentrier dich ganz auf die Schlacht , wies sie sich selbst zurecht.
Angeregt tuschelten die Truppenführer miteinander. Sie schienen mit den Arbeiten zufrieden. Gerner war sogar freundlicher zu Melkise, obwohl die anderen Femtiten ihn weiter mit Misstrauen betrachteten.
Nach der Besichtigung nahm Gerner Talitha beiseite. »Der ist für dich«, sagte er, »einer unserer Männer, der früher in den Minen gearbeitet hat, hat ihn mir besorgt. Er hat ihn unter Lebensgefahr einer Priesterin abgenommen: Geh bitte so behutsam wie möglich damit um.«
Als er die Hand öffnete, lag auf seiner Handfläche ein großer Luftkristallanhänger. Selten hatte Talitha ein Exemplar von solch edler Beschaffenheit gesehen: Offenbar hatte er einer ranghohen Priesterin gehört. Sie nahm ihn fest in die Hand, konzentrierte sich und spürte augenblicklich eine starke Energie, die perfekt mit ihrem Es harmonierte.
»Das ist ja ein Prachtexemplar. Vielen Dank.«
»Ich hoffe, dir ist bewusst, welch große Verantwortung du übernommen hast«, sagte Gerner zum Abschied, bevor er sie wieder mit Melkise allein ließ und zusammen mit den anderen Befehlshabern ins Lager zurückflog, um dort zu verkünden, dass der Fluss erfolgreich umgeleitet wurde und der Angriff wie geplant stattfinden konnte.
»Der Spaßvogel hat eine seltsame Art, einem Mut zu machen und die Nervosität zu nehmen«, sagte Melkise spöttisch zu Talitha und schaute ihnen nach.
»Das ist eben seine Art, aber sonst ist er ein guter Anführer«, antwortete Talitha. »Und verkneif dir lieber solche Bemerkungen, solange er dich noch hören könnte. Oder willst du sein Vertrauen gleich wieder verspielen?«
»Das Einzige, was mich interessiert, ist, dich hier lebend wieder herauszubekommen«, antwortete er.
Talitha blickte ihm fest in die Augen. »In zwei Stunden treffen auch die anderen Rebellen hier ein … Und dann wird nur noch das Schwert entscheiden, wer hier lebend rauskommt und wer nicht.«
Melkise warf ihr den Quersack zu, den sie im Flug ergriff. »Dann los. Nun beginnt der schwierige Teil.«
Sie suchten sich einen Platz am Kanal, etwas erhöht, dort wo der Fluss dicht an der freistehenden Eiswand entlangfloss, und warteten. Seit einigen Stunden war das Wasser nun schon aus seinem Bett geströmt und hätte seine Aufgabe nicht besser erledigen können. Es hatte sich einen neuen Lauf gesucht, so als habe es seit Jahren nur auf diesen Moment gewartet. So war auch Talitha endgültig klar geworden, dass es kein Zurück mehr gab und ihr Schicksal besiegelt war.
Unterdessen waren die Rebellen mit der Verstärkung wieder zu ihnen gestoßen. Dutzende Femtiten drängten sich hinter der Eiswand und warteten darauf, sich in den Kampf zu stürzen.
Melkise lehnte sich weit vor und spähte auf das Minengelände hinunter, wo ein hektisches Treiben herrschte und es von Talariten und Sklaven nur so wimmelte. In zahllosen Reihen schleppten sich die Femtiten unter der enormen
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