Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
einem Zelt, das, so wie alle anderen auch, nur mit zwei behelfsmäßigen Lagern – Strohsäcken am Boden – und einem Gestell zur Ablage der Waffen eingerichtet war. Zum ersten Mal würde Grif nicht bei seinem früheren Herrn schlafen.
Wohin sie auch kamen, überall wandten sich ihnen neugierige Blicke zu, die zuweilen feindselig, überwiegend aber bewundernd waren. Die Kunde, wer diese beiden abtrünnigen Talariten waren, hatte sich rasch verbreitet, begleitet von Schilderungen ihrer außerordentlichen Fähigkeiten.
Grif berichtete Melkise, dass bereits Heldengeschichten über sie kursierten: Es hieß, sie seien imstande, hundert Gardisten auf einen Streich niederzumachen oder mit bloßen Händen eine Schwertklinge zu zerbrechen. Talitha musste lächeln, als sie sich vorstellte, tatsächlich solche Taten vollbringen zu können, hoffte im Stillen jedoch, einem solchen Ruf gerecht zu werden.
An der Lagebesprechung nahmen die Anführer aller anwesenden Rebellengruppen teil, und nach Sonnenuntergang suchte Gerner sie auf und teilte ihnen mit, welche Aufgabe ihre Gruppe bei der Befreiung der Sklaven übernehmen sollte: In den zurückliegenden Wochen hatten die Rebellen drei Gänge gegraben, die bei der Mine zusammenführen sollten, und nun musste nur noch die letzte dünne Wand herausgebrochen werden, sodass den Sklaven ein Fluchtweg offenstand. Ihre Aufgabe sollte es sein, sich eventuell auftauchenden Gardisten, die die Flüchtenden aufzuhalten versuchten, in den Weg zu stellen.
»Eventuell?«, rief Melkise, als er den Befehl hörte. »So bald sie merken, dass die Sklaven verschwinden, werden sie scharenweise anrücken.«
»Deswegen müssen wir sehr schnell sein«, erklärte Gerner.
»Wie viele Leute sind wir? Einige Hundert?«, fragte Melkise.
»Ungefähr dreihundert«, bestätigte Gerner.
»Nicht ausgebildet und nur notdürftig bewaffnet. Die Gardisten offen anzugreifen ist ein großes Risiko. Die sind zahlenmäßig sehr stark und alle bis an die Zähne bewaffnet, nicht zu vergessen die Aufseher, die sich ebenfalls in den Kampf stürzen werden. Diese Minen sind für die Eisherstellung besonders wichtig und daher für die Talariten von großer strategischer Bedeutung. Die Produktion wird streng überwacht, besonders jetzt, wo Gerüchte und Erzählungen von immer mehr Sklavenaufständen überall die Runde machen. Nein, mit einem offenen Angriff werden wir das niemals schaffen.«
»Was schlägst du also vor?«, unterbrach Gerner ihn.
»Wir könnten es mit einem Ablenkungsmanöver versuchen, während die Gänge geöffnet werden.«
»Dafür wurde bereits ein Stoßtrupp zusammengestellt.«
Melkise schüttelte den Kopf. »Ich spreche nicht von Kriegern. Für die ist das, wie gesagt, zu riskant. Aber ich hab da eine Idee. Ich kenne mich hier etwas aus, weil Grif in diesen Minen gearbeitet hat, bevor ich ihn zu mir nahm.« Melkises Vorschlag war ganz einfach. Zu einer Seite der Mine erhob sich ein mächtiger Kamm aus Eis, der von einem mittlerweile ausgebeuteten Teil dieser Mine zurückgeblieben war. Dorthin sollten sie so viele Gardisten wie möglich locken und dann die Eismasse herabstürzen lassen.
»Und wie willst du das bewerkstelligen?«, fragte Gerner.
»Mit Magie«, antwortete Melkise und trat zu Talitha. »Mit Magie sind wir zu allem fähig.«
Sie schaute ihn entgeistert an. »Aber etwas Derartiges habe ich noch nie versucht!«
»Die Priesterinnen schaffen das in einem fort, wenn sie neue Stollen öffnen, und in dieser Eismasse sind mehr Löcher als in einem Sieb.«
»Ich bin aber keine Priesterin, und die Energien meines Luftkristallanhängers gehen schon zur Neige«, erwiderte Talitha, wobei sie den Stein um ihren Hals in die Hand nahm.
»Ein Stück Luftkristall werden wir schon noch auftreiben. Oshavs Gruppe hat vor einigen Tagen ein paar Priesterinnen gefangen genommen«, schaltete sich Gerner ein, dessen Interesse geweckt war.
»Selbst mit einem neuen Luftkristallanhänger wüsste ich nicht, wie ich das hinkriegen soll«, sagte Talitha.
»Ich weiß, dass du das irgendwie schaffst«, antwortete Melkise und blickte sie dabei so voller Zutrauen an, dass sie sich gezwungen fühlte, es zu schaffen. Sie überlegte sich die Sache genauer: Wenn diese Eiswand tatsächlich wie durch ein Wunder noch stand, würde es vielleicht reichen, einen Teil zum Schmelzen zu bringen, um sie einstürzen zu lassen.
»Zeigt mir mal die Karte«, sagte sie. »Also wenn es mir gelänge«, sie zeigte mit dem Finger auf
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