Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
wo?«
»Ist doch nicht so wichtig. Aber wenn Gerner dahinterkommt, dass er sich in der Nähe aufhält, wird er alles daran setzen, ihn ins Lager zurückzuholen. Und wenn er ihn dafür in Ketten legen müsste. Ich muss vorsichtig sein.«
Sie unterhielten sich noch ein wenig über die Schlacht, die sie geschlagen hatten. Aber bald überkam Talitha, nach all den Strapazen, eine große Müdigkeit. Sie legte sich nieder und ließ Melkise allein zu den anderen gehen, die den großen Sieg feierten. Aber sie fand keinen Schlaf. Ihre Gedanken kreisten um die Ereignisse auf dem Schlachtfeld, was sie dort über sich herausgefunden hatte, die Gesetze des Krieges, Melkise … Verglichen mit all diesen überwältigenden Eindrücken kam ihr Saiphs Botschaft ganz seltsam vor: Wie aus einer lange zurückliegenden, mittlerweile abgeschlossenen Phase ihres Lebens schien sie zu kommen. Und es war, als wende sich Saiph an eine andere Talitha, die mit der Frau, die sie jetzt war, nicht mehr viel zu tun hatte. Beklommen sah sie ihrem bevorstehenden Treffen entgegen, fast mit Angst, und niemals hätte sie sich vorstellen können, dass sie dieses Gefühl einmal Saiph gegenüber empfinden würde, der ihr ein Leben lang nahe gewesen war.
Sie öffnete ein Auge und sah zu Melkises leerem Lager hinüber. Er fehlte ihr. So sehr hatte sie sich schon an seine Gegenwart in der Hütte gewöhnt: an sein leises Atmen, wenn sie in der Dunkelheit nebeneinander lagen, die Atemzüge eines Mannes, der nie wirklich schlief, sondern jederzeit bereit war aufzuspringen. Wer hätte das gedacht, als sie damals seine Gefangene war?
Das Leben birgt wirklich viele Überraschungen , sagte sie sich und gähnte. Es war ihr letzter Gedanke, bevor sie in einem traumlosen Schlaf versank.
Als Ausrede sagte sie, dass sie nach den Feldern sehen wollte, die an den Ufern des kleinen Sees angelegt worden waren. Die Rebellen ernährten sich von den Früchten, die dort von den Frauen des Dorfes, den kampfunfähigen Alten und den noch nicht kampftauglichen Jungen angebaut wurden. Dazu zählte Grif, und ihn wollte sie begleiten.
Gemeinsam überquerten sie den See mit dem ätzenden Wasser, bevor sie sich trennten und sie alleine zu der Grotte weiterlief, die am Ufer lag.
Von außen hätte man sie auch für den Bau eines wilden Tieres halten können: Der Durchlass war eng, aber der Innenraum erwies sich als überraschend geräumig. Verstreut am Boden lagen abgenagte Knochen und zeugten davon, dass die Höhle genutzt worden war.
Saiph stand vor der hinteren Höhlenwand, das Gesicht noch vermummt, die Arme hingen herunter. Seine Gestalt war unverwechselbar, und ein eigenartig wehmütiges Gefühl überkam Talitha, das man empfindet, wenn man nach langer Abwesenheit an einen vertrauten Ort zurückkehrt. Und doch hinderte sie etwas, eine Art Furcht, noch näher auf ihn zuzutreten. In einigem Abstand blieb sie stehen und rührte sich nicht.
Er nahm Schal und Turban ab. Saiph war noch ein wenig blasser geworden und auffallend abgemagert, aber sein Lächeln war so wie eh und je, offen und aufrichtig, und Talitha fühlte sich gewärmt davon.
»Talitha«, murmelte er.
Ihren Namen aus seinem Mund zu hören riss jede Barriere nieder. Sie lief zu ihm, schlang ihm die Arme um den Hals und drückte ihn an sich. Warm und gut fühlte sich die Berührung an.
»Verdammt … hab ich dich vermisst«, gab sie mit einem schüchternen Lächeln zu.
»Ich dich auch … sehr sogar«, antwortete Saiph.
»Wie ist es dir ergangen? Wie weit bist du gekommen? Und was ist mit Verba?« Wie frisches Quellwasser sprudelten die Fragen hervor.
»Immer noch die gleiche ungestüme Talitha«, bemerkte Saiph, bevor er antwortete. »Na ja, die Reise war schwierig, aber nicht ganz umsonst.«
Er griff zu dem Quersack, der an der Grottenwand lag, und holte ein Pergamentblatt hervor.
»Das hat Verba geschrieben, in seiner Sprache … aber hör mal, was er mir zu sagen hat.«
Gib endlich auf. Ich führe dich nur in den Tod. Da dich auch dieser verfluchte Wald nicht aufhalten konnte, ziehe ich weiter, dorthin, wo du mich niemals finden wirst. Kehre zurück zu deiner Herrin. In der Wüste überlebt nur, wer so ist wie ich.
Verba
»Dann hat er sich also wieder mal aus dem Staub gemacht.« Talitha war enttäuscht. »Und du hast völlig umsonst dein Leben aufs Spiel gesetzt, um ihn zu finden.«
»Nein, so stimmt das nicht. Er hat sich von allem losgesagt, vom Krieg, von unserer Welt … Aber im Grunde seines Herze
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