Nashira
du schon mal einen freien Femtiten gesehen?«
»Ja, in dieser Gemeinschaft, zu der uns der eine Femtit geführt hat.«
Saiph lächelte gequält. »Ja, aber was ist das für eine Freiheit? Die Femtiten dort müssen einen Talariten bezahlen, damit sie nicht gefasst werden. Sie leiden Hunger und werden gejagt. Nennst du das Freiheit?«
Talitha sah ihm fest in die Augen. »Ja. Denn sie sind frei von einem Herrn und frei von Erniedrigungen, auch wenn der Preis dafür hoch ist und sie ihn mit Hunger bezahlen müssen. Ich war nie wirklich frei, aber ich habe immer davon geträumt, einmal frei zu sein. Dabei habe ich noch nicht mal richtig gewusst, was Freiheit ist. Aber wie kannst du bloß behaupten, du hättest dir nie gewünscht, frei zu sein?«
»Ihr Talariten habt immer die Möglichkeit, euch eure Freiheit zu erkämpfen. Es stimmt, du warst nicht frei, zuerst unter der Fuchtel deines Vater, dann im Kloster ... Doch im Grunde deines Herzens wusstest du immer, dass du mit einer kühnen Tat dein Schicksal wenden kannst. Dazu war zwar viel Mut erforderlich, aber es war möglich . Und dann hast du es ja auch geschafft. Für einen Femtiten hingegen ist ein Leben, in dem er niemandem gehört, gar nicht denkbar.«
Sie schwieg eine Weile und sagte dann: »In Ordnung, aber du hast dir doch bestimmt schon mal gewünscht, irgendwohin zu gehen, einfach nur, weil du Lust dazu hast, ohne dass ich es dir befehle.«
»Das ist ein sinnloser Wunsch. In meinem Leben hat es immer jemanden gegeben, der mir Befehle erteilt hat, und zu gehorchen ist ganz natürlich für mich.«
»Und das stört dich nicht? Was geht in dir vor, wenn du deine versklavten Brüder und Schwestern siehst? Oder diese Fabrik, die Ketten ...? Ich sehe doch, dass dich all das nicht kaltlässt.«
»Das ist Mitleid. Aber die Welt ist eben so eingerichtet, und ich finde mich einfach damit ab.«
Talitha legte den Kopf in den Nacken und meinte sogar, dass einige wärmende Strahlen der beiden Sonnen auf ihren Hals fielen.
»Auch Schwester Pelei hat mir beibringen wollen, dass es bestimmte Dinge gibt, die man einfach nicht ändern kann.« Einen Moment lang schloss sie die Augen. »Ich hingegen glaube, dass die Welt nur so ist, weil wir uns damit abfinden, weil wir zulassen, dass andere uns diese Verbote und Gebote auferlegen. Mein ganzes Leben lang habe ich es meinem Vater erlaubt, mich herumzukommandieren.«
»Ist das der Grund, weshalb wir hier sind? Dein Wunsch, dich gegen deinen Vater aufzulehnen?«, fragte Saiph mit einem traurigen Lächeln.
»Nein, das nicht, und das weißt du. Wir sind hier, weil wir einem Geheimnis auf die Spur gekommen sind, das der ganzen Welt zum Verhängnis werden kann. Da können wir nicht einfach die Hände in den Schoß legen. Aber wir sind auch hier, weil es um unsere Freiheit geht. Allerdings habe ich gedacht, dass mit dem Akt der Befreiung sofort alles anders sein würde. Doch bisher habe ich nichts erreicht. Ganz im Gegenteil: Schwester Pelei ist tot, und noch andere sind durch meine Schuld gestorben. Ich habe keine Angst vor den Veränderungen, aber vor dem Blutzoll, den sie verlangen.«
Ein Windstoß erfasste die Röhre, und der Luftkristall an der Decke begann, hin und her zu schaukeln.
»Schwester Pelei hat uns das Leben gerettet.«
»Ich darf gar nicht daran denken«, antwortete Talitha und schüttelte den Kopf. »Ohne mich würde sie noch leben.«
»Weißt du noch, was sie als Letztes gesagt hat, bevor sie starb?«, fragte Saiph.
Das Mädchen sah die Priesterin wieder vor sich, das Schwert fest in der Hand, die Miene erhellt von einer neuen Selbstgewissheit. Und dann ihre Stimme, der Tonfall, in dem sie sagte: Vielleicht, weil du wirklich Recht hattest . »Vielleicht hat auch sie zuletzt auf diesem Weg ihre Freiheit gefunden«, murmelte Talitha mit Tränen in den Augen. »Vielleicht wusste sie, dass es keine Zukunft außerhalb des Klosters für sie gab, und so war es ein Akt der Freiheit für sie, mir zur Freiheit zu verhelfen.«
Saiph lächelte sie sanft an. »Ja, gut möglich. Komm, lass uns weitergehen.«
Den ganzen Tag lang wanderten sie, ohne irgendjemandem zu begegnen. Ein Umstand, der ihnen verdächtig vorkam. Obwohl sie gewusst hatten, dass dieser Pfad wenig benutzt wurde, hatten sie den Eindruck, dass sich aus einem ganz bestimmten, ihnen unbekannten Grund niemand in diese Gegend wagte.
Als die Nacht hereinbrach, beschlossen sie zu lagern und abwechselnd Wache zu halten.
So gut es ging, machten sie es
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