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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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tatsächlich ist. Mittlerweile besuche ich ihn mindestens einmal die Woche unten bei den Sklaven, und da ist immer was los.«
    »Das freut mich, dass es ihm gut geht.«
    Die junge Gräfin hatte nie so richtig verstanden, was Saiph mit ihrer Schwester verband. Sie wusste nur, dass dessen Mutter, Anyas, die einige Jahre zuvor gestorben war, Lebithas geliebte Leibdienerin gewesen war, und dass Saiph genau zu
dem Zeitpunkt bei ihnen aufgetaucht war, als Lebitha den Palast verlassen hatte und ins Kloster gegangen war. Mehr hatte man ihr nie erzählt. Aber jedenfalls vergaß Lebitha nie, sich nach Saiph zu erkundigen.
    Plötzlich tauchte Kolya zwischen den Hecken auf.
    »Junge Herrin, junge Herrin«, rief sie atemlos, »ich hab euch überall gesucht. Ihr müsst Euch doch für die Abendgesellschaft fertig machen.«
    »Ach nein, das hat doch noch Zeit! Lass uns allein«, antwortete Talitha barsch.
    Ihre Schwester jedoch ergriff ihren Arm. »Lass nur. Wir sehen uns doch auch später beim Empfang.«
    »Bist du auch dabei?«
    »Ja, natürlich. Das gehört doch zu meinen Pflichten.«
    »Gut, dann sehen wir uns später.« Mit einem schmatzenden Kuss auf die Backe verabschiedete sie sich von der Schwester und folgte der Sklavin in ihr Zimmer.

    Der Saal, in dem das Abendessen gereicht wurde, war so groß, dass man sich auf dem Weg von einer zur anderen Wand hätte verirren können. Er wurde von Aberdutzenden von Fackeln erhellt. Die lange Tafel war mit einem blütenweißen Leinentischtuch und rund dreißig reich verzierten Tellern gedeckt. Am anderen Ende hatten die Sklaven bereits Aufstellung genommen, darunter, wie es das Protokoll vorsah, die Leibdiener der Gäste, also auch Saiph. Talitha hätte ihn zu gern am Ärmel gepackt, um mit ihm wegzulaufen, doch dieses Essen gehörte zu den Anlässen, bei denen ihr nichts anderes übrigblieb, als sich den Zwängen des Hofzeremoniells zu unterwerfen. Und außerdem war ja auch
noch ihre Schwester da: Vielleicht konnte sie ihr helfen, die Abendgesellschaft irgendwie zu überstehen.
    »Ach, Talitha! Dieses Kleid steht dir ja ganz ausgezeichnet«, rief ihre Mutter, während sie ihr entgegentrat und dabei mit ihrem Fächer wedelte. Ihre eigene Aufmachung entsprach natürlich wieder bis ins Kleinste der Etikette. Die junge Gräfin verneigte sich kurz und merkte dabei, dass ihr die Luft wegblieb. Auf Befehl ihres Vaters hatte Kolya ihr zu diesem Anlass ein besonders aufwändig geschneidertes Kleid anlegen müssen: aus hellem glänzendem Stoff, mit nicht weniger als drei Unterröcken sowie einem mit kunstvollen Spitzen und Edelsteinen besetztes Mieder. Vor allem aber quälte Talitha das Korsett darunter, das Kolya ihr zu fest geschnürt hatte. »Das muss so sein, junge Herrin. Sonst bekommen wir das Kleid nicht zu«, hatte die Dienerin auf ihre Beschwerden hin erwidert.
    »Danke, Mutter, auch Ihr seht heute Abend wunderschön aus«, flötete sie, als sie wieder Luft bekam.
    Nach und nach trafen die Gäste ein. Honoratioren der Stadt, die Grafen von Arbea und Laja, zwei Städte im Süden des Reiches, der Oberst der städtischen Garde. Stimmengewirr erfüllte den Saal. Talitha hielt sich etwas abseits, verneigte sich, wenn ihre Mutter sie jemandem vorstellte, bedachte hier und dort jemanden mit einem Lächeln, hatte sich aber vorgenommen, sich auf keine Unterhaltung einzulassen. Sie ertrug solche todlangweiligen Abende nicht, solche Versammlungen verstaubter Herrschaften, die nichts anderes im Sinn hatten, als ihren Vater zu umschmeicheln.
    Als Lebitha eintraf, bewegte sie sich sofort auf sie zu, hielt aber kurz inne, als sie die alten Priesterin wahrnahm, die so nah bei ihrer Schwester lief, als müsste sie sie eskortieren.
Ihrem wachsamen Blick schien nicht die kleinste Kleinigkeit zu entgehen.
    »Hast du dich etwas ausgeruht?«, fragte sie Lebitha, ohne den Blick von der Leibwächterin abzuwenden.
    »Ja, ein wenig, es geht mir etwas besser.«
    Talitha hatte nicht den Mut, sie noch mehr zu fragen. Der bohrende Blick der alten Priesterin war ihr unangenehm. Alles, was um ihren Schützling herum geschah, musterte sie misstrauisch, als könne es sich nur um eine Bedrohung handeln.
    Als einer der Letzten traf Graf Megassa ein. Auffallend schlicht gekleidet, unterstrichen seine Gewänder dennoch durch Machart, Schnitt und nicht zuletzt die Qualität der Stoffe seinen hohen Rang und seinen Reichtum. Alle verstummten bei seinem Anblick, und er genoss diese Stille. Feierlichen Schritts, mit strenger

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