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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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ausführen lassen, während er nur ungerührt und unbeugsam daneben gestanden hatte.

    Doch nun war alles anders. Nun verzerrte maßlose Wut seine Züge, und seine Augen glühten vor Zorn.
    »Was erlaubt du dir, so mit deiner Mutter sprechen? Und so mit mir zu sprechen?« Das Mädchen bekam immer weniger Luft, aber der Graf dachte nicht daran, den Griff zu lockern. »Ja, alles, was in diesem Palast geschieht, ist zu meinem Wohl, denn ich bin diese Familie. Alles, was dich hier umgibt, verdankst du mir, genau wie dein Leben, das mir gehört.«
    Langsam, soweit es ihr der Griff ihres Vaters erlaubte, schüttelte Talitha den Kopf. »Nein ...«, murmelte sie.
    Und wieder schlug er zu, mit dem Handrücken, und sie prallte mit dem Gesicht gegen die Wand.
    »Du tust, was ich dir sage!«, schrie er.
    Erneut hob er die Hand, und instinktiv verbarg Talitha das Gesicht in der Armbeuge. So wartete sie auf den nächsten Schlag, machte sich auf neue Schmerzen gefasst.
    Doch das Geräusch, das durch den Raum hallte, kam nicht von Megassas, sondern von der Tür, die aufgestoßen wurde.
    »Hört auf!«
    Talitha hob den Blick. Saiph war in den Salon getreten und stand jetzt mit ausgebreiteten Armen vor ihr, um sie vor ihrem Vater zu schützen.
    »Wie kannst du es wagen?«, brüllte der Graf und schlug augenblicklich zu, Saiph mitten ins Gesicht.
    Der ließ sich nicht beeindrucken, stand ohne zu wanken da und senkte nicht den Blick. Es war diese Haltung, die Megassa vollends in Rage brachte. Wie ein Wahnsinniger stürzte er sich auf den Jungen, schmetterte ihn mit der Faust zu Boden und trat wieder und wieder auf ihn ein.
    »Verdammter Sklave! Du hast kein Recht, das Wort an
mich zu richten. Noch nicht einmal ins Gesicht darfst du mir schauen.«
    Saiphs Leib krümmte sich unter jedem Tritt. Doch immer heftiger traf Megassas Fuß seine Brust, und Blut begann ihm aus dem Mund zu laufen.
    Blitzartig begriff Talitha, dass ihr Vater nicht aufhören würde, bis er Saiph getötet hatte.
    »Lass ihn, lass ihn!«, rief sie und warf sich auf Saiphs zuckenden Leib. »Ich mach’s ja!«, rief sie lauter. »Ich gehe ins Kloster, aber verschone ihn, töte ihn nicht, ich flehe dich an.«
    Keuchend hielt Megassa inne, blickte auf die beiden am Boden liegenden Personen, atmete dann tief durch und bemühte sich, rasch die Fassung zurückzugewinnen.
    »Natürlich wirst du gehen«, sagte er, immer noch schwer atmend. »Und jetzt verschwinde aus meinen Augen. Und schaff deinen Sklaven raus.«
    Die junge Gräfin stemmte sich hoch und half Saiph auf, indem sie seinen Arm ergriff. So schleppte sie sich mit ihm aus dem Grünen Salon, vorbei an ihrer Mutter, die verschreckt in einer Ecke kauerte. Sie warf ihr einen verächtlichen Blick zu und humpelte weiter zur Tür.

    Mit sicheren, präzisen Bewegungen fuhren die Hände der Sklavin über Saiphs Oberkörper. Es war eine alte, über Jahrhunderte bewährte Kunst, die sie beherrschte: Jeder Femtit musste lernen, die Schwere einer Verletzung mit den Fingern zu ertasten, denn dies konnte die einzige Rettung für jemanden sein, dem der Körper nicht durch Schmerzen anzeigte, wo und wodurch er in Lebensgefahr war. Reglos lag Saiph da und ließ sie gewähren.

    »Danke, Raska. Du machst das sehr gut«, murmelte er, bemüht, sich nicht zu bewegen.
    »Es ist nichts gebrochen«, sagte sie schließlich, während sie sein Hemd hinunterzog. »Nur schlimme Prellungen.«
    Talitha atmete erleichtert auf. »Du scheinst viel robuster zu sein, als man denkt«, bemerkte sie und blickte auf den mageren Brustkorb des Jungen. »Geh nur, Raska. Um alles Weitere kümmere ich mich.«
    Die Sklavin stellte ein Schale, die mit einem Gemisch aus Wasser und Purpur-Saft zum Desinfizieren gefüllt war, vor sie hin und legte noch einige saubere Lappen hinzu. Dann verneigte sie sich kurz und ging hinaus.
    Sie waren in Saiphs Zimmer, ein besonderes Privileg, das Lebitha für ihn und seine Mutter durchgesetzt hatte, denn alle anderen Sklaven mussten sich mit einem Gemeinschaftsschlafsaal zufriedengeben.
    Allerdings war dieser Raum nur eine nicht gebrauchte Abstellkammer neben der Speisekammer, eng und karg, ohne Fenster, in der nur ein einfaches Strohlager Platz hatte. Darauf und daneben lagen eine Reihe von Büchern und Schriften. Ein weiterer Luxus, der Saiph und seiner Mutter vergönnt war, zählten sie doch zu den wenigen Femtiten, die lesen gelernt hatten.
    Talitha tauchte die Lappen in das Desinfektionsmittel. Auch Saiphs Gesicht war schwer

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