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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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fertig zu werden. Die Garde war ihr Ein und Alles. Und zwei Monate später erlebte sie schon hin und wieder zwar keine glücklichen, aber doch ausgeglichene Tage. An solch einem Tag ließ ihr Vater sie rufen.
    Einen Moment zögerte Talitha vor der Tür des Grünen Salons, denn seit Lebithas Bestattung hatte sie nicht mehr mit ihrem Vater gesprochen. Und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte man diese Begegnung auch noch weiter verschieben können. Aber was sollte sie machen?
    Sie atmete tief durch, klopfte und öffnete vorsichtig die Tür. Der Grüne Salon, ein mit Stukkaturen verzierter und mit Fresken über die Geschichte der Stadt Messe bemalter Raum, war von den Ausmaßen eher bescheiden, wurde von ihrem Vater aber gern für die wichtigsten Geschäfte und Verhandlungen genutzt. Oder er zog sich hierher zurück und überdachte gewisse Dinge. Auch die Gräfin war anwesend, saß an einem kleinen Tisch, während das Licht im Hintergrund ihre Gestalt mit einem fast mystischen Schein umgab.

    Die Hände hinter dem Rücken verschränkt stand der Graf neben ihr.
    »Komm rein und schließ die Tür«, sagte er.
    Talitha gehorchte und trat dann einige Schritte vor. Megassa musterte sie mit kritischem Blick, unterließ jedoch jegliche Bemerkung darüber, dass sie noch ihre Kadettenuniform trug. Allerdings hatte sie auch das Training unterbrechen müssen, um ihn aufzusuchen, und keine Möglichkeit zum Umziehen mehr gehabt.
    »Setz dich.«
    »Ich bleib lieber stehen, Vater.«
    »Setz dich«, befahl er. Die junge Gräfin gehorchte. Ihre Mutter saß direkt vor ihr und schaute hinaus, während sie sich mit dem Fächer zerstreut Luft zufächelte. Nur eine kleine Falte zwischen den Augenbrauen verriet etwas von ihrem Gemütszustand. Talitha wusste das, denn so sah sie immer aus, wenn sie besorgt war.
    Erst jetzt bemerkte sie, dass auf dem kleinen Metalltisch, auf dem sonst die antiken Pergamente ausgebreitet waren, die ihr Vater studierte, etwas anderes lag. Ansonsten war die Tischplatte ganz leer. Das Mädchen erkannte einen funkelnden metallgrauen Anhänger, der an einem goldenen Kettchen befestigt war. Sofort wusste sie, worum es sich handelte: den Luftkristall, der ihrer Schwester gehört hatte. Talitha fragte sich, was er dort zu suchen hatte, denn üblicherweise wurde dieser zusammen mit der Urne der verstorbenen Priesterin beigesetzt. Sie wandte die Augen ab. Der Anblick von Dingen, die einmal Lebitha gehört hatten, war noch zu schmerzhaft für sie.
    »Ich höre, Vater«, sagte sie.
    Dieser wartete noch einige Augenblicke, so als wäge er seine
Worte. »Der Tod deiner Schwester ist in verschiedenster Hinsicht ein großes Unglück«, begann er dann. »Ein junges Leben ist dahingegangen, und dieser Verlust hat über uns, ihre Eltern, und über dich, ihre Schwester, schweres Leid gebracht.«
    Talithas Lippen wurden schmal. Dass er so tat, als habe ihm Lebitha wer weiß was bedeutet, ließ ihr das Blut zu Kopf steigen.
    »Doch ein Unglück ist es auch noch aus anderen Gründen«, fuhr Megassa fort. »Lebitha war eine besonders fähige Priesterin und zählte zu den Anwärterinnen auf die Nachfolge der jetzigen Kleinen Mutter, die sehr alt und krank ist. Wahrscheinlich hätte sie ihr Amt schon in Kürze antreten können. Aber das weißt du ja.«
    Die junge Gräfin unterdrückte den Impuls, ihm ins Gesicht zu schreien: Natürlich wisse sie das, denn eben dafür habe er ja das Leben seiner Tochter geopfert.
    »Ja«, antwortete sie stattdessen nur leise.
    »Und du bist dir auch bewusst, welch außerordentliche Ehre es bedeutet, einer solchen Aufgabe für würdig erachtet zu werden. Denn dieses Amt verlangt eine besonders reine Seele.«
    Talitha ließ den Blick zwischen ihren Eltern hin und her schweifen. Sie wusste nicht recht, was er damit meinte. »Wahrscheinlich schon«, sagte sie.
    Einen Moment lang starrte Megassa auf den Fußboden, als er wieder aufsah, wirkten seine Züge sehr entschlossen, und er sprach: »In drei Tagen wirst du den Platz deiner Schwester im Kloster einnehmen.«
    Talitha starrte ihn mit offenem Mund an. »Aber Vater ... das kann ich nicht.«

    Der Graf unterbrach sie mit einer unwirschen Handbewegung. »Man wird dich in aller Kürze in die auf dich zukommenden Aufgaben einführen, sodass du deine Pflichten als Priesterin erfüllen kannst. Und innerhalb weniger Jahre wird man dich dann zur Kleinen Mutter ernennen.«
    »Das ist unmöglich ...«, stammelte das Mädchen.
    »Doch, das ist möglich. Die

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