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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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geworden. Vielleicht hatte die Zeit ihren Lauf verlangsamt, so dachte sie, und sie müsse nur weitertrinken, um sie ganz anzuhalten, sodass der letzte Augenblick, bevor die Sonnen aufgingen, ewig dauern würde. Ein ganzes Leben wie diese eine Nacht, das hätte sie sich gewünscht, ein Leben,
in dem sie sich tanzend selbst vergessen konnte, umgeben von diesen Personen, die ihr, obwohl Sklaven, doch viel fröhlicher als die meisten anderen vorkamen.
    Irgendwann in der Nacht fand sie sich aber, ohne zu wissen, wie sie dorthin gekommen war, neben Saiph, der sie stützte, im Freien wieder, in einer abgeschiedenen Ecke des Palastgartens. In der Krone des Talareths über ihnen rauschte der Wind. In dieser stürmischen Nacht hofften wohl viele darauf, dass sich das Wetter ändern und ein wenig Regen heraufziehen würde.
    »Ich hab Bauchweh ...«, murmelte sie.
    »Kein Grund zur Sorge. Du hast nur zu viel getrunken. Setz dich, dann geht’s dir bestimmt gleich besser.«
    Talitha ließ sich zu Boden sinken. Alles um sie herum drehte sich, Himmel und Erde gingen ineinander über. Sie ließ sich zurückfallen und lag rücklings auf dem Rasen, die Hände auf dem Bauch, während ihr die Grashalme den Nacken kitzelten und der Tau ihre Haut benetzte. Sie schloss die Augen und atmete tief die frische Nachtluft ein.
    »Was meinst du, krieg ich im Kloster auch dieses Zeug zu trinken?«, kicherte sie.
    Saiph nickte. »Die Priesterinnen stellen ihn bestimmt selbst her.«
    »Na hoffentlich. Wenn ich allerdings an das griesgrämige Gesicht der Großen Mutter denke, würde ich nicht darauf wetten: Die scheint sich nicht oft zu amüsieren.« Das Mädchen lachte wieder, zunächst noch leise, dann immer schallender, und hielt sich schließlich den Bauch.
    »Lass doch, wenn dich jemand hört ... Außerdem, was weißt du schon? Niemand darf der Großen Mutter ins Gesicht schauen.«

    »Aber ich habe ihr Gesicht gesehen. Ich hab sie durchs Schlüsselloch beobachtet, als sie bei meiner Schwester im Zimmer war. Was für eine Schnute ...«
    Talitha lachte wieder und rollte sich vergnügt über den Rasen. Saiph versuchte, sich zurückzuhalten, so lange es ging, doch ihr Lachen war ansteckend, und außerdem war er selbst auch etwas angetrunken.
    Irgendwann beruhigte sie sich wieder. Die Arme weit ausgebreitet lag sie da und sah hinauf in das Astwerk, zwischen dem sie hier und dort das Licht der beiden Monde erkannte. Plötzlich wurde sie ganz ernst.
    »Sag mal, Saiph, bist du wirklich sicher, dass du mit mir kommen willst?«
    Nur das Rauschen des Windes in den Wipfeln unterbrach die Stille.
    »Na, klar, bei den vielen Frauen da oben ...«, antwortete er nach einer Weile und grinste sie an.
    »Nein, es ist mein Ernst. Willst du wirklich fortgehen? Immerhin bist du hier zur Welt gekommen, und hier ist deine Mutter gestorben. Es stimmt schon, ich habe meinen Vater lange bearbeiten müssen, damit du mitkommen kannst. Aber wenn du es dir noch anders überlegen willst ... Ich könnte dich verstehen.«
    Saiph lächelte. »Das ist wirklich der beste Beweis, wie betrunken du bist. Nüchtern hättest du das nie gesagt.«
    Talitha genoss die Kühle des Grases an ihren nackten Armen. Am liebsten wäre sie mit diesem Grün verschmolzen, eins geworden mit dieser Erde.
    »Nein, wirklich ... Morgen steige ich diese Treppe hinauf und lasse alles hinter mir, vor allem meine Freiheit. Nichts von dem, was ich bisher gedacht, geplant, gefühlt habe, ist
dann noch von Bedeutung. Es ist alles ausgelöscht. Und für dich wird es genauso sein«, erklärte sie, wobei sie aus den Augenwinkeln zu ihm hinübersah.
    Saiph schwieg einige Augenblicke und ließ sich dann neben ihr auf dem Rasen nieder.
    »Ich bin ein Sklave, und zu dienen ist mein Schicksal. Würde ich bleiben, wäre ich auf ewig das Eigentum deines Vaters. Im Kloster aber gehöre ich wenigstens dir, oder sogar, in einigen Jahren, der Kleinen Mutter persönlich. Das mag sich nicht so verlockend anhören, aber ein kleiner Aufstieg ist es schon.«
    Talitha kicherte und knuffte ihn mit der Faust gegen die Schulter. »Wer sagt dir denn, dass ich dich besser behandeln werde als mein Vater? Mit dem Strafstock kann ich schon umgehen, und wahrscheinlich werden mir diese Megären noch ein paar nette Tricks beibringen, um einem dummen Sklaven Gehorsam einzubläuen.«
    Saiph verschränkte die Hände im Nacken. »Mit diesem Problem werde ich mich erst beschäftigen, wenn du wirklich unerträglich geworden bist.«
    »Dann

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